Im Kettenhemd (German Edition)
werden oder gar Schaden nehmen. In der hintersten Ecke, gleich neben dem nüchternen Altar, lag ein Mann von etwa dreißig Jahren im Halbdunkel des Raumes. Durch sein eingefallenes und unrasiertes Gesicht erinnerte er zwar zurzeit mehr an einen Greis, aber man konnte seine Jugend noch erkennen. Als er der Männer gewahr wurde, streckte er seine Hand aus und flüsterte mit schwacher Stimme unverständliche Worte. Er sprach im Fieber, jedoch konnten sie keine sichtbaren Wunden entdecken. Sieki hatte ein kleines Fläschchen von Cedrics Schwedenkräutern bei sich. Mit etwas Wasser gaben sie dem Kranken davon zu trinken. Gierig schluckte der Mann die Medizin hinunter.
»Wenn der aus diesem Ort ohne Licht herauskäme, würde es ihm bestimmt bald besser gehen«, raunte Jörg.
»Das lässt sich bestimmt machen«, sprach Sieki. »Jetzt, mein Freund, ist die Zeit gekommen, das Notwendige mit dem Nützlichen zu verbinden.«
Er holte die schwarze Wurzelsalbe hervor, die Cedric von Lorette, der Marketenderin, für etwaige Wunden bekommen hatte, und betupfte Gesicht und Oberkörper dieses Mannes damit.
»So sollte es gehen«, meinte der »Medicus«. »Geh, hol den Mönch wieder her, und dann mit Gott!«
Der »Gelehrte« setzte eine gewichtige Mine auf und nahm den Mönch beiseite. Als der die Diagnose hörte, erschrak er wie noch nie in seinem jungen Leben, wurde aber gleich zur Ruhe ermahnt. Die schwarzen Punkte auf der Haut dieses Mannes bedeuteten das Schrecklichste.
»Keiner hier darf etwas merken, sonst bricht eine Panik aus und es gibt mehr Schaden als Nutzen.« Schnell hatten sie den Mönchen die Situation erklärt und den Umzug in das Ausweichquartier angeordnet. Der offenbar einzige »Pestkranke« sollte unter der Obhut des »Medicus« isoliert am Ort bleiben.
Alles, was laufen und helfen konnte, wurde in kurzer Zeit mobilisiert, und so war der Spuk noch vor dem Abend vorbei. Das gesamte Stroh, welches den ehrwürdigen Steinboden der Abtei bedeckte, wurde zusammen mit allem Unrat auf dem kleinen Hochplateau verbrannt.
Ihren Patienten betteten sie weiter vorn, ganz in der Nähe der Pforte, wo ihm die frische Luft und Cedrics Fürsorge sicher gut bekommen würden. Der Proviantvorrat war gut gefüllt, und so sollte es auch dem Kranken an nichts fehlen.
Als schließlich am Abend alles ruhig blieb, begannen sie mit der Suche nach der Grabplatte des Ritters Montbard. Es fanden sich viele im Boden eingelassene Gräber von Rittern und geistlichen Würdenträgern. Auch an den Wänden in Nischen und hinter den hölzernen Verkleidungen des Raumes wurde intensiv gesucht. Der Eingang zur Krypta war einfach nicht zu finden.
Nach Stunden breitete sich Resignation in der kleinen Gruppe aus. Ihre Suche war bisher erfolglos, und alle schauten auf Dietrich. Der blickte in die Runde und sagte: »Ich täusche mich nicht. Seine Worte sind mir noch ganz deutlich im Ohr. Wenn es so leicht wäre, hätten vielleicht schon andere den Schatz gefunden.«
Nach einiger Zeit der Ratlosigkeit hatte Sabelle den entscheidenden Einfall: »In meiner Heimat gibt es eine Kapelle, unter der sich Familiengräber befinden. Ich glaube mich zu erinnern, dass man da von außen hineinging.«
»Da haben wir ja schon am Vortag gesucht und nichts gefunden«, rief Karl ganz aufgeregt.
Cedric starrte vor sich hin und sagte dann plötzlich: »Der Friedhof! Eines der Gräber dort könnte doch das richtige sein!«
Noch war etwas Tageslicht übrig, und alle beeilten sich, dort weiterzusuchen. Der kleine Friedhof war schnell durchsucht, und so dauerte es auch nicht lange, bis Karl rief: »Hier ist es, auf dieser Grabplatte steht der Name des Ritters!«
Rasch waren alle am Grab des Ritters Montbard versammelt und lasen die Inschrift: »Im Grabe liegt der Templer hier zur Ruh. Nach großen Taten schloss Gott ihm nun die Augen zu.«
Die Deichsel eines alten Ochsenkarrens schien geeignet, die Grabplatte anzuheben, um zu schauen, was sich darunter verbergen würde. Dietrich zerrte das Ding heran, aber die Männer mussten alles aufbieten, um die schwer Platte zur Seite zu drücken. Die Deichsel zerbrach unter der Last, aber das Grab war geöffnet. Im Dunkel des Grabes war ohne Fackel nichts zu erkennen. Rasch war eine der Wandleuchten aus der Abtei geholt, und Dietrich hielt sie in das dunkle Loch. Eine mit Efeu überwucherte Treppenstufe war zu erkennen. »Das muss der Eingang zur Krypta sein!«, rief Karl freudig erregt.
Als Erster stieg Dietrich hinein und bahnte sich durch
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