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Im Kinderzimmer

Im Kinderzimmer

Titel: Im Kinderzimmer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frances Fyfield
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ansehnlicher zu machen. Katherine wollte ihr Kind umarmen, doch Jeanetta schrie auf und zuckte zurück, Spucke flog aus ihrem weit aufgerissenen Mund und landete auf Katherines makellos weißem Rock. David ignorierte das Gekreische und blickte nur über den Kopf des Kindes hinweg ins Chaos des Spielzimmers.
    »Sieh nur«, knurrte er, »sieh nur, was das Ungeheuer schon wieder angerichtet hat.«
    Jeanetta war sehr gründlich vorgegangen. Im Spielerker standen zwei große Regale und eine Eichentruhe. Am Abend des überbor-denden Vergnügens mit der Oma hatte Jeanetta es zum allererstenmal geschafft, den schweren Deckel der Truhe hochzustemmen, in der die ausrangierte Abendgarderobe ihrer Mutter lag, der rote Umhang, das bodenlange violette Abendkleid. Das alles lag jetzt wild verstreut in bunten Haufen am Boden. Eine Rüschenbluse aus Geor-235
    gette war vollkommen zerfetzt. Aus den Regalen hatte Jeanetta sämtliches Spielzeug gezerrt – ihr eigenes und das von Jeremy verschmähte, das aus seinem Zimmer hierher verbannt worden war. Sie hatte nicht alles kleingekriegt, hatte sich aber die größte Mühe gegeben, sich an ausnahmslos allem versucht. Ursprünglich hatte sie nur irgend etwas gesucht, mit dem sie das Fenster zerschlagen könnte, dann, als dies nicht gelang, hatte sie sich blinder Zerstörungswut hingegeben. Kuscheltieren fehlten die Knopfaugen, das Pferdchen auf Rollen, auf dem sie früher gern gesessen hatte, ein Geschenk der Oma, hatte Schweif und Ohren eingebüßt, auf dem Boden, die starr flehenden Augen gen Himmel gerichtet, lag eine Puppe, deren rosa Stirn zerbissen war. Ein Arm der Puppenleiche lag auf dem Fensterbrett, dessen Lack an der unteren Leiste ganz zerkratzt war. David untersuchte die Innenseite der Tür und fand ähnliche Kratzspuren, schnalzte mißbilligend mit der Zunge. Jeanetta schrak bei seiner Entdeckung zusammen. Katherine dachte – flüchtig nur und auf kaum greifbare Art –, daß Jeanetta sich zu einem Abbild ihrer selbst entwickelte, zu einer, deren Vorstellungen von Gut und Böse sämtlich von Davids Reaktionen abhingen, wie irrational auch immer, auch ohne daß die Schwere eines Vergehens mit konkreten Strafen –
    etwa Schlägen – bemessen wurde.
    »Hat Jack gemacht!« rief Jeanetta verzweifelt und zeigte auf die Puppe. »Er war das, er war das, er war das!«
    David beachtete sie nicht weiter, schritt durch den Erker und begann das Spielzeug aufzulesen, das seinem Sohn gehörte. Am anderen Ende der Küche hatte sich Katherine keinen Schritt vom Spülbecken fortgewagt, stand reglos neben noch eingepackten und daher nicht identifizierbaren Käseecken, die David aus dem Delikatessengeschäft mitgebracht hatte. Sie schob eines der Päckchen in ihre Handtasche und ging zögernd auf ihre Tochter zu. Da Jeanetta nicht angelaufen kam, sondern sie mit großen Augen voll finsterem Arg-wohn betrachtete, traute sich Katherine nicht, sie zu berühren.
    »Ich nehme sie mit zum Waschen«, murmelte sie Davids Hinterkopf zu und ging nach oben voraus.
    »Ich nehme Jack mit.«
    »Ja, ist gut.«

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    Das Kind folgte ihr mit schleppenden Schritten, ohne sich auch nur einmal umzusehen. Ihr Atem rasselte. Sie hatte Husten. Katherine hatte das trockene, halb unterdrückte, sicher schmerzhafte Krächzen schon vorher bemerkt.
    Ich hätte es wissen müssen! Warum habe ich nicht überlegt! Käse ist in so einem Fall viel zu fett. Katherine stieg Hitze zu Kopf, und sie bewegte sich unruhig. Der Körper neben dem ihren strahlte förmlich Hitze ab, das Gewicht selbst des einen dünnen Lakens war unerträglich; Katherine legte sich eine Hand auf den Mund, kämpfte selbst mit Übelkeit. Im Badezimmer hatte die stinkende Jeanetta den ihr heimlich zugesteckten Käse, gut hundert Gramm frischen Weich-käse, mit angewidertem Gesicht zwar, aber gierig heruntergeschlun-gen. Ich hätte es wissen müssen! Sie waren in die Küche zum Abendbrot hinuntergegangen, sie hatte inbrünstig gehofft, es würde alles gutgehen. David bereitete jetzt sogar die Mahlzeiten selbst zu, als fürchte er, vergiftet zu werden. Katherine blieb nichts mehr als das endlose Putzen. Jeanetta war stumm hinterhergetrottet, sauber gewaschen und mit einem frischen Paar Shorts und Hemdchen bekleidet, leicht grün im Gesicht. Sie war engelsbrav gewesen. Doch dann, immer wieder ängstlich in den in der Zwischenzeit aufgeräumten Erker schielend, so weit weg wie möglich am anderen Ende des Raums verharrend, jeder Bewegung des Vaters wie

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