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Im Kinderzimmer

Im Kinderzimmer

Titel: Im Kinderzimmer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frances Fyfield
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in gewisser Weise Ausschau – nach Möbeln, die sie einst besessen und verloren hatte, Beistelltischchen etwa oder Stühlen, die verschwunden waren, verkauft, ihr entrissen worden waren. Seit Jahren war sie auf der Suche, vergeblich. Und während eines dieser amüsanten Intermezzi – die sich in letzter Zeit häuften, so daß Sophie merkte, daß ihr Bedürfnis zu reden sogar stärker wurde als das Bedürfnis zu essen – hatten die Einbrecher ihren Weg ins Eßzimmer gefunden. Unnötig eigentlich, die Scheibe einzuschlagen: die Tür stand ja offen.
    Ach, was für ein Durcheinander! Oje, oje! Das Zimmer war immer schon unordentlich gewesen, das heißt vollgestopft, überladen, aber das hier war eine Unordnung ganz anderer Art. Auch die Tatsache, daß nur sehr wenige Dinge entwendet worden waren, bot nur schwachen Trost, denn auf ihrem Raubzug, dem der kostbare Fernseher, das nicht ganz so unentbehrliche Radio sowie zwei oder drei Gegenstände zum Opfer gefallen waren, die deutlich erkennbar aus Silber waren, war jede einzelne Schublade, war jeder Schrank – trotz der windigen Schlösser, mit denen Sophie fast alles sicherte, was sie besaß – durchwühlt und deren Inhalt, wie es schien, auf den Fußboden des Wohnzimmers gekippt worden. Mit schnellem Vogelblick machte Sophie Inventur dessen, was ihr geblieben war, und empfand 247
    leichte Verärgerung. Was fiel den Kerlen ein, zu glauben, ihre Staf-fordsshire-Hündchen, ihr Nippes, Davids Pokale, die aus Nickel waren, nicht Silber waren, oder die Sofaschoner aus feinster Spitze seien nicht der Mühe des Stehlens wert? Unverschämtheit! Banau-sen! Empörung überkam sie und verlieh ihr ein Gefühl der Überle-genheit, das einen Augenblick lang das Frösteln vertrieb. Sie könnte natürlich die Polizei rufen, aber im Grunde wollte sie nur ihren Sohn anrufen, und weil sie unschlüssig war, was sie tun sollte, setzte sie sich erst einmal, nachdem sie sich vergewissert hatte, daß niemand in der Wohnung war und daß die Fenster verschlossen waren, mit einem frisch aufgebrühten Tee auf den Boden und begutachtete die verstreuten Haufen auf dem Teppich. Nein, sie würde nicht die Polizei rufen. Von denen hatte sie genug. Alles Grobiane. Dort auf dem Teppich lagen Daddys Sterbeurkunde und die ärztlichen Befunde über seine Unterernährung. Ach, und dabei war er einst so dick und blond gewesen. Schädelbruch. Die Treppe hinuntergestürzt. Gestürzt, hieß es. Alles lag verstreut, auch die Anklageschrift wegen Verun-treuung und Betrug, die Hafterlasse wegen Diebstahls. Sophie schob die Papiere beiseite, interessanter waren Gegenstände, von denen sie gar nicht mehr gewußt hatte, daß sie sie besaß. Das bedächtige Wenden und Betrachten der Dinge, die sie lange verschlossen gehalten hatte, war eine Entdeckungsreise, löste eine Springflut der Erinnerung aus, auch Verwirrung, erwies sich als weit beunruhigender als der Einbruch selbst.
    Da hatte sie zum Beispiel wochenlang, seit ihrer Vertreibung genau genommen, ihre Schwiegertochter mit einer Inbrunst gehaßt, die sie ohne weiteres dazu hätte verleiten können, eine Wachspuppe mit Nadeln zu durchbohren, wenn sie nur das Wachs und die Haare hätte auftreiben können, die sie für diesen Zweck für unentbehrlich hielt, und jetzt, hier, vor ihr auf dem Teppich, aus irgendeinem vergessenen Hort ans Licht gezerrt, waren alle die wunderschönen Dinge, die Katherine ihr über die Jahre geschenkt hatte. Sie sah die eigene Wohnung zu der Zeit vor sich, als David noch um Katherine gewor-ben hatte, um dieses bezaubernde Mädchen, das mit Armen voller Blumen erschien, Pralinen, ausgesuchten Kleinigkeiten, Kleidern.
    Und mit welchem Feingefühl ausgewählt! Ein rosa Seidenschal, so 248
    kostbar, daß Sophie ihn nur zu besonderen Anlässen getragen hatte, bis sie dann vergaß, wo sie ihn hingelegt hatte. Und – Frechdachs! –
    Spitzenhemdhöschen: das größte Kompliment von allen, die schmei-chelhafte Bestätigung, daß sie nicht irgendeine alte Frau, sondern eine hübsche alte Dame war, die sich nicht dem Altersdiktat wollener Rheumawäsche zu beugen brauchte, sondern etwas haben sollte, was einer eleganten Dame würdig war. Sophie hatte die Höschen zum Anschauen verwahrt, probierte sie auch gelegentlich an, mußte dann kichern und sich eingestehen, daß sie es nicht wagen würde, sie zu tragen. Doch jetzt, als sie sie wieder sah, erinnerte sie sich an andere Sachen, an die Rüschenblusen, die sie getragen und die Taschentü-
    cher

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