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Im Kinderzimmer

Im Kinderzimmer

Titel: Im Kinderzimmer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frances Fyfield
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unartig gewesen. Du mußt brav sein. Eine kleine Weile noch.« Ein Versprechen, die ersten Anzeichen der Reue, der sie voller Hoffnung entgegensah, und sie duckte sich, machte sich noch kleiner, damit er sähe, was für ein braves liebes Kind sie war.
    Für dich die artige Unschuld, Kind, laß andere nach Raffinesse trachten. Was war sie artig. Ungeheuerlich brav. Sie sammelte die Wollmäuse von den groben Holzdielen, rollte sie zu kleinen Kugeln und stapelte sie in ordentlicher Hausfrauenmanier zu einem kleinen Haufen. Sie war ganz in diese Aufgabe vertieft, bis sie die Geräusche im Atelier hörte und vor Entsetzen erstarrte beim Klang der Stimme Monicas, deren dröhnendes, wieherndes Lachen ihr den Schädel spaltete, ihr durch Augen und Haut drang. Katherine öffnete den Mund, wollte schreien, besann sich, preßte einen Finger zwischen die Zähne und biß sich auf den Knöchel. Still jetzt, kein Ton, sei brav, und du wirst belohnt. Die Laute, seine, waren nur zu vertraut, waren die gleichen, die er erst kürzlich ausgestoßen hatte, ohne trennende Wand zwischen ihnen, und die Frau – ein stöhnendes Crescendo.
    Katherine zog sich die Wolldecke über den Kopf, verstopfte sich die Ohren und begann, lautlos und zielstrebig, ihre Uhr zu zerlegen. Das Armband war aus Gold. In den wenigen verbleibenden Stunden Hel-ligkeit gelang es ihr, mit den Zähnen sieben der Kettenglieder aufzu-biegen. Sie legte sie auf den Haufen Wollmäuse. Solange er nur wiederkäme.
    Der Schlüssel drehte sich im Schloß, und dann stand er da, eingerahmt vom Schein des Flurlichts. Er eilte zu ihr herüber, zog sie sanft auf die Füße und legte die Arme um sie. »Liebste, mein Schatz, mein Liebling… es tut mir so leid. Jetzt ist alles wieder gut, nicht deine Schuld, stimmt’s?«
    Sie hing kraftlos in seiner Umarmung, ließ die eigenen Arme he-rabhängen, während er ihren Hinterkopf gegen seine warme, geschmeidige Schulter drückte. Ein Rinnsal Schweiß lief ihr in den Ausschnitt hinab, klebte am staubigen, schmutzigen Nachthemd.
    Eine weitere Nacht hier oben hätte sie nicht überlebt, dessen war sie sich sicher, doch sie hatte gewußt, daß es so kommen, daß er so sein würde. Eiskalte Arme linderten die Hitze ihres Körpers, die Kasch-mirwolle seines Pullovers tat so gut. Er legte ihre Arme um seine 271
    Taille, sie ließ es geschehen, verschränkte kraftlose Finger. Trost, Hauptsache Trost, nichts zählte am Ende dieses Alptraums als diese Entschädigung. Unten, von seinem Atelier, kam leise Musik aus dem Radio.
    »Du hast sicher Hunger«, sagte er unendlich sanft. »Armes Kleines.
    Erst ein Bad, dann ins Bett. Ich bringe dir etwas zu essen rauf. Etwas Leichtes. Und ein Glas Wein. Das wird dir gut tun.« Plötzlich durch-zuckte sie Erinnerung. Sie schauderte. Halb benommen noch von der allesverschlingenden Finsternis grub sie ihm die Finger in die Taille, äußerte ihre ersten Worte: »Jeanetta. Netta… was hast du getan?«
    »Scht, scht. Keine Sorge. Es ist vorbei.«
    »Was hast du getan?« Sie fragte noch einmal, mit staubtrockener Kehle, in müdem Tonfall, der verriet, daß sie fragen mußte, aber die Antwort eigentlich nicht hören wollte. Die Antwort könnte die Entschädigung verderben.
    »Ich habe sie zu Sophie gebracht. Sie wollte zu Sophie, und Sophie war gern bereit, sie zu sich zu nehmen. Damit wir zur Ruhe kommen.
    Ungezogen von ihr, weglaufen zu wollen, dich in die Irre führen zu wollen. Alles ihre Schuld, das ist dir doch klar, nicht? Immer stiftet sie dich zur Unartigkeit an. Sie ist schlecht für uns beide, nicht wahr?
    Immer war es ihre Schuld, sie verdirbt alles. Hätte ein Junge werden sollen.«
    Er strich ihr übers Haar, über die vielen verfilzten Knoten, das Ergebnis stundenlangen nervösen Zwirbelns. »Egal, jetzt geht es ihr gut. Blendend. Sie werden sich nur von Keksen ernähren. Wie Ferien. Und wir sind ganz für uns, nur du und ich. Ich sorge schon für dich.«
    »Nicht meine Schuld«, wiederholte sie mit Kleinmädchenstimme.
    Nach Jeremy fragte sie nicht, interessierte sich für ihn so wenig wie er sich für sie. In Wellen erfaßte die Erleichterung ihren Körper, stieg hinauf in den Kopf, trunken lehnte sie an ihm, die Finger verschränkten sich fester in seinem Kreuz. Sie fragte nicht nach dem Warum und Wieso; es war ihr von klein auf eingebleut worden, nicht nach dem Warum zu fragen. Nebensache. Hauptsache, sie war in Sicherheit, Hauptsache, sie konnte an ihn glauben. Glaube kehrte wie eine Springflut

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