Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Im Kinderzimmer

Im Kinderzimmer

Titel: Im Kinderzimmer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frances Fyfield
Vom Netzwerk:
Cocktail von Wut. Da gab es diesen anderen Mann, der ihr bei jeder aufwühlenden Begegnung die verlockende Vision eines 274
    Neubeginns ausmalte: ein Häuschen am Stadtrand, nicht nur hypo-theken-, sondern katzenfreie Zone – bei all seiner Betulichkeit ein verlockendes Angebot. Scheiß auf unverbrüchliche Liebe und Treue, das lag alles hinter ihr, doch je schärfer die Konturen, die die hübsche Vision der ungelebten Möglichkeiten annahm, desto näher rück-te das Ultimatum, das gestellt wurde. Matilda war fest entschlossen gewesen, ihr eigenes sinkendes Schiff zu verlassen, hatte den Zeitpunkt der verflixten Auszeichnung als den geeignetesten angepeilt, um einen gestärkten John verlassen zu können. Und jetzt? Statt Jubel ein Mann, der mit seinen Katzen sprach. Ihrer beider Katzen. Fast der einzige gemeinsame Besitz, und noch dazu einer, der all das verkörperte, was sie nicht wollte.

Sie besah sich ihren John, und es beschlich sie eine tiefe Hoffnungslosigkeit, sie sah die Katzen und haßte sie. Eines der Jungen spielte an ihren Füßen; dem Drang, es mit einem Fußtritt zum Fenster hinaus zu befördern, konnte sie nur mit Mühe widerstehen.
    »Muschi, Muschi, gib dem Papi einen Kuß.«
    Die unbewußte Obszönität wäre vielleicht zum Lachen gewesen, hätte sie nicht zuvor Johns Telefongespräch mit dem ihr nur flüchtig bekannten Kollegen mitgehört, die gezwungene Fröhlichkeit und Leutseligkeit, ein so ganz anderer Ton als der grotesk kindliche, der den Katzen vorbehalten blieb. Sie studierte das blasse, milde Gesicht und die Pranken, die diese widerlichen Katzen hielten, die nicht mehr lange auf der Handfläche Platz hätten. Sie überging seinen leeren Gesichtsausdruck und konzentrierte sich auf die Tiere. John hob sie einzeln von seinen Knien, ohne Matilda auch nur ein einziges Mal überhaupt anzusehen, das Gesicht voller Sorge um die vielen zap-pelnden Beinchen. Und wieder traf sie mit vernichtender Gewißheit die Erkenntnis, daß sie ihn hier nicht alleine zurücklassen konnte.
    Jedenfalls nicht heute, selbst wenn es die letzte Chance zu dieser Art
    »heute« bedeutete und ihr der gebotene Ausweg mit jeder Verzögerung mehr und mehr entglitt.
    »Na, dann gehe ich wohl mal zur Arbeit«, sagte er lediglich.
    »Geh nicht!« hörte sie sich selbst sagen, überrascht über den Klang der eigenen Stimme.
    »Das geht doch nicht.«

    275
    »Und warum nicht?«
    »Was sollte ich denn sonst tun?« Er suchte keinen Trost bei ihr, er fragte sie nie um ihre Meinung oder bat sie um Vorschläge. Er war ohne Rücksprache mit ihr in die Falle gelaufen, die sein Leben war.
    In ihr brodelte ohnmächtige, weißglimmende Wut. Nie sprach er etwas mit ihr ab, nie fragte er sie nach ihrer Meinung, und seine frag-lose Ergebenheit reichte ihr nicht!
    »Dann geh doch!« stieß sie hervor und drehte sich um. »Viel Vergnügen!«
    Er setzte die Kätzchen in den Karton zur schlafenden Kat – der zweite Karton, der den ersten abgelöst hatte und neben dem bereits ein dritter, größerer, von noch besserer Qualität auf den morgigen Einsatz wartete, nach dem frühmorgendlichen Gekrabbel und Ge-kratze, von dem sie schon heute geweckt worden waren. Die Kätzchen gruben sich zufrieden ein, saugten an der Mutter wie kleine Ferkel, obwohl sie auch schon richtig fraßen. Das gewaltige Katzen-klo war saubergemacht, die Katzenstreu erneuert worden, und trotzdem hing der Geruch von Urin in der Luft.
    Als John die Tür hinter sich zugezogen hatte, widmete sich Matilda der Kleiderfrage. Dann ging sie auf und ab, mit immer kürzeren Schritten drehte sie Runde um Runde im engen Wohnzimmer. Sie weinte etwas, kehrte jedoch bald zur kalten Wut zurück, zum Haß auf ihr ganzes verpfuschtes Leben, besonders auf die Feigheit und auf die Katzen. Als sie endlich stehenblieb, fand sie die Stille unerträglich. Sie zog sich eine Jacke über – der Regen der gestrigen Nacht hatte die Räume in den oberen Stockwerken auskühlen lassen
    –, packte den bereitstehenden Karton und stülpte ihn über das Kat-zennest. Sie hing sich die Handtasche über die Schulter, hob den Karton samt Gefangenen auf und verließ die Wohnung. Die Tür schloß sie ab, ignorierte aber die Sicherheitsschlösser. Als sie unten angelangt war mit ihrer unhandlichen Last und mühsam, den Karton balancierend, die Tür zum Hof aufgekriegt hatte, war sie außer Atem. Sie stellte den Karton an der hinteren Mauer ab, neben dem ausgelegten Zeitungspapier und dem alten Teppich, die Rottys

Weitere Kostenlose Bücher