Im Kinderzimmer
Lager bildeten, sobald der Rottweiler hierherkam. Matilda führte nichts Böses im Schilde, als sie die Katzen dort ablud. Sie wußte nichts von 276
Feindschaft unter Tieren, eine gemeinsame Unterbringung erschien ihr eben passend. An dieser Stelle würde John sie als erstes suchen, es würde ihn aus seiner Lethargie rütteln, und mehr bezweckte seine Frau nicht. Nicht bewußt.
»Komm schnell, Eric! Draußen ist jemand!« Eileen keuchte die Treppe hinauf, Harrison ächzte ihr entgegen. »Schnell!« zischte Eileen. »Mach schnell! Solange sie einkaufen ist, verdammt noch mal!«
Sie klapperten ins Souterrain hinunter. »Sammy, du bleibst oben«, befahl Mrs. Harrison. »Sei hübsch brav, meine Gute.« Sie schloß die Tür zur Küche. Samantha fing an zu brüllen. »Bist du wohl sofort still! Hörst du!« Das Gezeter verstummte.
»Eric, es ist dieser Penner, ich bin mir ziemlich sicher! Er klopft an die Hintertür! Was hat denn der? Ich habe Angst, Eric, ich habe Angst! Was will der bloß, der muß doch verrückt sein! Etwa nicht?
Vollkommen plemplem, hierher zurückzukommen! Was zum Teufel…!«
Sie hielten im Halbdunkel auf der Treppe inne. Die harmlose Betriebsamkeit eines Samstagvormittags, das Kommen und Gehen draußen, nahmen dem Moment nichts von seinem verschwörerischen Charakter. Es klopfte immer noch an der Tür. Beide Harrisons atme-ten schwer.
»Was ist, wenn er die verdammte Halskette zurückbringt?« flüsterte Eileen und grabschte nach Erics Arm.
»Red doch kein solchen Stuß! Das würde er nie tun. Kein Mensch wäre so dämlich, du blöde Kuh!«
»Aber was will er dann bloß? Klopft ans Küchenfenster als hätte er eine Schraube locker! Durchgedreht, der Kerl!«
Harrison überlegte eine halbe Minute, die Stirn vor Anstrengung in Falten gelegt.
»Wir rufen die Polizei. Das ist die einfachste Art, ihn loszuwerden, eh die Missus vom Einkaufen wiederkommt. Sonst geht’s uns an den Kragen, wenn herauskommt, daß er schon mal hier gewesen ist. Vor allem mir geht’s an den Kragen. Wenn sie eins nicht abkann, dann, daß man sie anlügt, oder? Du weißt doch, wie sie ist, wenn’s um ihren Besitz geht.«
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»Aber er wird’s der Polizei stecken, und die steckt es ihr, wo ist da der Unterschied? Wir müssen ihn loswerden. Er könnte reden, be-greifst du nicht?«
»Vielleicht tut er’s ja nicht. Und wenn schon. Ich habe ihn noch nie gesehen. Keiner von uns. Ruf die Bullen, mach schon! Ich red solange mit ihm. Mach zu! Bring Samantha zum Schweigen!« Samantha hatte wieder losgelegt.
Der Obdachlose hatte verschlafen. In einen roten Umhang gehüllt, hatte er vor einem ihm vage vertrauten Haus fast den ganzen Nachmittag verbracht, war dann auf Wanderschaft gegangen und im Park gelandet. Dort war er liegengeblieben, benommen von der Sonne und von ihr verraten, als sie die Hitze bei ihrem Untergang nicht mitnahm. Er hatte im Gebüsch so tief geschlafen, daß er den Argusau-gen der Parkwächter entgangen war. Er schlief wie ein Stein, und dank einem Liter Apfelwein, ohne einen Mucks von sich zu geben.
Steifbeinig hatte er sich irgendwann in Richtung auf das mit dem Kumpel geteilte Quartier aufgemacht, hatte den Park verlassen, aber er hatte sich nicht mehr genau an den Weg erinnern können, war eine Straße, die ihm richtig vorkam, auf und ab getrippelt, hatte die Orientierung verloren und Angst bekommen. Alles sah gleich aus, alles so schwarz, daß ihn schwindelte. Selbst der rote Umhang, den er am letzten Morgen auf den Spieren eines Eisengitters gefunden hatte, war kein ausreichender Schutz vor der Nacht. Außerdem fürchtete er sich im Dunkeln. Er war argwöhnisch, schreckhaft und – wie sein Kumpel schon bemerkt hatte – allmählich ziemlich wirr im Kopf.
Also war er tapfer weitergewandert, auf und ab, herum und herum in immer enger werdenden Kreisen, hatte sich zwischendurch zum Ausruhen gegen geparkte Wagen gelehnt, gelangweilt, verängstigt und hellwach nach vielen Stunden Schlaf, aber erfüllt von der Sehnsucht nach mehr Schlaf, der ihn vergessen ließ. Mehr als Schlaf brauchte er einen sicheren Ort, und wenn es eines der Heime war, wenn er nur wüßte, wo er das nächstgelegene fände. Gegen Mitternacht herum lief er der Polizei praktisch vor den Streifenwagen; der Fahrer bremste und sah ihn scharf an. Der Obdachlose reckte das Kinn, schritt übertrieben energisch aus, ein ulkiger Gang zwischen Marschieren und Rennen, und lenkte seine Schritte scheinbar ziel-278
strebig eine enge Gasse
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