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Im Kinderzimmer

Im Kinderzimmer

Titel: Im Kinderzimmer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frances Fyfield
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vor denen sie wimmernd zurückwich und sich an die Wand preßte.
    Wie schlau von ihm, es so einzurichten. David kannte ihren wunden Punkt sehr wohl, wußte von den früheren Schrecken, von den Gefangenschaften und Fluchten ihrer Vergangenheit. Katherine zähl-te an den Fingern die Male ab, die sie eingesperrt worden war. Das allererste Mal zusammen mit Mary, als man sie aus dem Kohlenkeller gerettet und in Flanellschlafanzüge gesteckt hatte, dann bei den Pflegeeltern – aber nicht ins Dunkel, mildes Strafmaß für schlechtes Betragen. Dann mucksmäuschenstill im Raum sitzen müssen, während das am meisten geliebte Pflegeelternteil starb, dann zu einem der letzten der vielen geborgten Väter ins Zimmer gesperrt, um stell-vertretend dessen Aufdringlichkeiten über sich ergehen zu lassen, ehe sie wieder im Heim mit den strikten Ausgangsregelungen gelandet war, aus dem Mary schließlich die immer noch widerspenstige, impulsive, temperamentvolle Schwester befreit hatte, um sie ihrem eigenen liberaleren Regime zu unterstellen. Eine Konstante dieser Gefangenschaften vor allem drängte sich ihr jetzt auf: Wenn sie sich fügte, ohne zu protestieren, folgten auf Dunkelheit unfehlbar Licht, Umarmungen, Entschuldigungen, Aufmerksamkeit, manchmal sogar Geschenke. Immer tat es ihnen hinterher leid, wenn sie sie eingesperrt hatten, so sehr, daß Katherine diese Erfahrungen allmählich auch als angenehm zu empfinden, sie unter dem Aspekt des »Nachher« zu betrachten begonnen hatte. Wenn sie erst einmal klein und wehrlos gemacht worden war, wurde sie gehätschelt wie ein Baby, immer, jedes Mal. Herausgelassen zu werden war wie ein zusätzlicher Geburtstag.
    In der Finsternis des Dachbodens regte sich dumpfer Groll. Derlei Entschädigungen hatte es nicht mehr gegeben, seit sie selbst Kinder in die Welt gesetzt hatte. Seitdem war ihr nicht mehr gestattet worden, Kind zu sein. Es war ungerecht, es war zuviel. Und was ist mit mir? Ich, ich, ich?
    Nimm mich doch bitte jemand in den Arm! Ich ertrage das alles nicht. Als müsse es die logische Folge der vielen Male zuvor sein, für die er nichts konnte, würde es David leid tun, daß er sie eingesperrt hatte. Und wenn David etwas leid tat, war er nett zu ihr. Wenn 269
    er voller Reue war, war er zu ihr wie zu einem kleinen Kind; wenn er voller Reue und sie brav gewesen war, liebte er sie. Dann behandelte er sie wie das zerbrechliche Kristallglas, das sie beim Essen zur Schau stellten, das blinkte, das bewundert und vorsichtig angefaßt wurde.
    Dann streiften die Schatten ihre Haut. Die Finsternis streckte ihre Fühler nach Katherines Wange aus, wand sich um ihren Hals, kroch ihr zwischen die Beine – Vorboten bekannter Schrecken. Aber sie durfte nicht schreien, sonst müßte sie für immer hier bleiben. Oder –
    das Allerschlimmste – würde hinaus in die Dunkelheit geschickt, wo Schatten zu Klauen würden, die sie mit scharfen Krallen zerrissen, sie jagten, sie hetzten, endlos. Sie müßte laufen, laufen, laufen. Doch selbst noch in den Fängen des Alptraums am Fenster kauernd, entglitt ihr nicht das Wissen darum, daß Wände und Mauern zumindest fest und unverrückbar blieben, den Schatten standhielten, während es draußen, jenseits der Mauern, viel schlimmer kommen konnte. Drinnen war sie besser aufgehoben als draußen, viel besser. Die Strafe hatte folgen müssen und sie hatte schon Schlimmeres auferlegt bekommen. Es gab immerhin einen Strohhalm, an den sie sich klammern konnte, während finstere Nacht allmählich der Dämmerung wich. Sie rief sich den Lohn für stummes Erdulden, fürs Bravsein in Erinnerung: Umarmungen, Schokolade, Küsse, Geborgenheit. Aller verzweifelte Mut der vergangenen Nacht, alle Klarheit, aller Realitätssinn erstarben. Katherine wartete, erduldete, hoffte und vergaß alles.
    Die Erleichterung, die der Morgen brachte, verfloß in dem Maß, wie die steigende Sonne den Dachboden in einen Backofen verwandelte. Es war so heiß, daß sie gar nicht hätte schreien können, ohne sich nicht vorher die Kehle anzufeuchten. Plötzlich, inmitten eines röchelnden Hustenanfalls, war er wieder da, stand sauber und ge-schniegelt in der Tür, einen Krug Wasser in der Hand. Auf allen vieren wäre sie einem Tropfen Flüssigkeit nachgerobbt, doch sie rührte sich nicht, blieb mit angezogenen, umschlungenen Knien sitzen, zwirbelte mit einer Hand nervös eine Haarsträhne. Er stellte den Krug neben der Tür ab und legte den Finger auf die Lippen.

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    »Du bist sehr

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