Im Kinderzimmer
an Vergessen, während ihr Mund nach weichgekochten Eiern und Brotreiterchen gierte, Babynahrung, und dazu zuckersüßen Tee.
Von derlei schlichten Gaumenfreuden in der Küche keine Spur.
Sämtliche Zutaten und Utensilien waren längst außer Sicht, als alle acht Gäste mit erfreulicher Pünktlichkeit in rascher Folge eintrafen.
Als Aperitif gab es je nach Vorliebe Tanqueray Gin mit einem Schuß Tonic und einer Zitronenscheibe, Glenfiddich pur, Sancerre oder sehr trockenen Sherry zur Auswahl. Die einzelnen Paare machten mit perversem Vergnügen Ausnahmen und wählten andere als ihre üblichen Getränke, ließen sich großzügig einschenken und goutierten dazu geräucherte Austern an Cocktailspießchen aus Elfenbein und winzige Portionen roten Kaviars auf Teigböden. Während die Amerikaner sich von Sebastian Pearson Thorpes überaus angelsächsisch blondem, guten Aussehen und dem ungezierten Public-School-Akzent in Bann schlagen ließen, unterhielt sich die in Rosa und Schwarz wie ein Pfau schillernde Monica angeregt mit Jennys Mann, während Jenny mit Colin ähnlich munter plauderte. Die beiden Frau-325
en hatten inzwischen beinahe vergessen, daß sie im Vergleich zur Gastgeberin viel zu schick angezogen waren und daß die Überwindung dieser Peinlichkeit noch etliche Schlucke Weißwein erfordern würde. Relativ gelassen beobachtete Jenny, wie Colins Blick durch den weitläufigen Raum über die breiten Streifen und farbenprächtigen Kissen, die sie mit neidvoller Bewunderung erfüllten, hinweg-schweifte und am Sessel hängen blieb, in dem Katherine saß und an ihrem Fruchtsaft nippte. So ätherisch Katherine anzusehen war, so solide wirkte David, der auf der Armlehne hockte. Monica war bei ihrem zweiten Glas angelangt, ehe alle sich durch die Diele in Richtung Küche in Marsch setzten und über die Tafel in Verzückung gerieten. Susan Pearson Thorpe dagegen hatte ihr erstes Glas noch nicht geleert – sie und Sebastian waren als letzte gekommen –, David unauffällig seinen dritten mäßig bemessenen Whisky. Allein die Vorstellung der anstrengenden Gastgeberrolle, die sie selbst stets sehr viel Nerven kostete, stimmte Jenny milde und mitfühlend. Immer wieder schielte sie nach Davids durchtrainiertem Körper, sah ihn unwillkürlich in Aktion, nackt wie ein Säugling, aber stark wie ein Bulle, spekulierte über die Größe seines Glieds, wandte sich verlegen ab und versuchte, sich auf die anderen zu konzentrieren: diese sich von ähnlichen Einladungen in diesem und jenem Haus vor Wochen oder auch vor Monaten flüchtig bekannten Menschen, doch vertraut genug miteinander, um sich leutselig, forsch-fröhlich zu begrüßen, als ob sie Freunde wären! Dabei handelte es sich um eine Verschwö-
rung: sie spielten füreinander nolens volens die Claqueure. Auch dieser Abend diente keinem anderen Zweck als der Bestätigung und Beweihräucherung, die alle Eingeladenen bereitwillig lieferten. Aber es fehlte eine kleine, aber entscheidende Zutat zum Gelingen einer solchen Zusammenkunft: eine Art spontan sich einstellender Ent-spanntheit, ein Wohlwollen oder ähnliches. Der Abend begann mit zuviel lauernder Beobachtung, zuviel Maskerade, zu vielen verstoh-lenen Seitenblicken.
Doch als sie alle an der Tafel Platz genommen hatten und die Kerzen angezündet worden waren, ging es lautstark zu, und es machte sich allmählich doch noch echte Feststimmung breit. Das war der herrlichen Tafel zu verdanken, diesem ästhetischen Appetitanreger 326
für die nachfolgenden Köstlichkeiten. Jeder hatte eine Batterie Glä-
ser vor sich stehen. Zu kleinen Portionen kalter Artischockencreme-suppe wurde Sherry gereicht. »Nein, die Artischocken haben wir nicht selber gezüchtet«, gestand David mannhaft. »Leider nicht, wie, Schatz? Die Ehre gebührt dem Delikatessengeschäft; man muß nur die Sahne zufügen.« Wer ist man, fragte sich Monica, hat denn nicht Katherine gekocht? Dann fiel ihr wieder ein, daß er selbst kein schlechter Koch war, der kalte Braten damals mit frischer Meerret-tichsahne war gar nicht schlecht gewesen. Mein Gott, möglicherweise hatte er alles alleine zubereitet! Und sie selbst war bei einem Mann wie Colin gelandet, der so wenig tat und das nicht einmal besonders gut. Sie empfand Bitterkeit und löffelte ihre Suppe hastig und ohne sie zu würdigen. Susan Pearson Thorpe, weit zurückhal-tender, als Jenny sie in Erinnerung hatte, aber sehr charmant, auf charmante Weise um das amerikanische Ehepaar gegenüber bemüht,
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