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Im Kinderzimmer

Im Kinderzimmer

Titel: Im Kinderzimmer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frances Fyfield
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Jeanetta gab nicht auf, wandte sich Jeremy zu, der die Darbietung mit runden Augen voll grenzenlosen Staunens quittierte. Enttäuscht richtete Jeanetta ihre Aufmerksamkeit wieder auf ihren Brei, prustete laut und ließ den Löffel scheppernd in die Schale fallen. Erdbeerspritzer auf poliertem Holz. Automatisch wischte sie Katherine mit dem Lappen, den sie bereithielt, weg. Sie selbst aß nichts.
    »Und nach der Arbeit?« nahm David den Faden wieder auf.
    »Wie? Ach so, Fitneß-Center, nehme ich an. Das Übliche.« Das Fitneß-Center war immer ein gutes Alibi fürs Bummeln. »Ich komme zeitig zurück. Heute abend erwarten wir doch die Neills, nicht wahr?
    Und die Loreans und Fosters vorher auf einen Drink? Ach, Moment, ganz so früh wird’s wohl doch nicht werden: Ich treffe meine Schwester auf eine Stunde oder so. Um vier, glaube ich, ich schau noch mal im Kalender nach. Wird aber nicht spät.«
    »Warum lädst du sie nicht zu uns ein?«
    »Ich dachte, du siehst es nicht gern, wenn sie hierher kommt.«
    »Wie kommst du denn darauf? Ich habe absolut nichts dagegen. Ich werde zu tun haben, insofern kriege ich sowieso nicht viel davon mit.
    Du meinst vielleicht eher, sie kommt ungern hierher!«
    Prompt wußte Katherine nicht mehr genau, was sie nun eigentlich meinte. Jeanettas geschorener Kopf lenkte sie ab. Sie hätte im Augenblick auch nur ungern zugeben mögen, daß Mary ausgesprochen 67
    gern zu ihnen kam, zu gern. Sie war bereit, Ausflüchte in Kauf zu nehmen, wenn sie Mary dafür auf neutralem Boden treffen konnte.
    Sie brauchte nur die eierschalenfarbenen Wände, die üppige Ausstattung der Küche und die Sessel betrachten und wußte wieder sehr genau, warum dem so war. »Noch ein neuer Sessel? Wozu brauchst du den?« hörte sie Mary im Geiste spöttisch fragen. Sie hatte genug Schuldgefühle, ohne sich auch noch der Mißbilligung Marys auszu-setzen – Mary, der Koordinatorin karitativer Dienste, Mary, der Ad-vokatin der Askese. Und darüber hinaus die Last, Mary auf ewig dankbar sein zu müssen. Alle Welt hatte immer betont, wie gut Mary zu ihr war, wieviel die Schwester für sie getan hatte, doch schon lange vor der Hochzeit und ihrer Rettung aus der gemeinsamen kar-gen Wohnung hatte Katherine zum Hals herausgehangen, wie gut Mary zu ihr war. Mary wußte immer alles besser, kritisierte, kritisierte, kritisierte! Und hatte es immer schon vorher gewußt. »Mary ist so gut zu dir«, sagte auch David. Wie entsetzlich wahr. Ausgestattet mit einer bescheidenen Erbschaft der eigenen Adoptiveltern und im Be-wußtsein, in der Lotterie des Lebens das bessere Los gezogen zu haben, hatte die umsichtige Mary eine kleine Wohnung gekauft und ihre sechzehnjährige kleine Schwester aus dem letzten einer ganzen Serie verlotterter Heime gerettet, in dem sie gelandet war, nachdem sie viermal von Pflegeeltern zu Pflegeeltern weitergereicht worden war. Großartig. Die reinste Samariterin. Das Gift der von ihr erwarteten Dankbarkeit fraß sich nicht minder fest als der unausgesprochene, aber dennoch spürbare Vorwurf, ihr beklagenswertes Schicksal habe sich Katherine selbst zuzuschreiben. Es hatte daher sehr viel fürs Heiraten gesprochen, nicht zuletzt die Chance, Mary in ihrer ganzen selbstgerechten Wohltätigkeit die zwei beringten Finger vorzuführen. Mary, die du alles weißt, die du alles besser weißt, ich brauche dich nicht mehr, hier in meinen eigenen vier Wänden habe ich das Sagen, ätsch! Und Mary könnte, ließe sie sie eindringen, die Haarrisse im Lack entdecken, könnte dahinterkommen, und das wäre unerträglich. Mary stand für alles, was sie hinter sich gelassen hatte.
    Vor Marys scharfem Blick mußte sie sich schützen.
    »Nein«, erklärte sie David, »ich kann jetzt nicht mehr umdisponie-ren. Selbst wenn ich sie erreichen würde, würde es ihr nicht passen.

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    Du weißt, wie gehetzt sie immer ist. Wir wollten uns ja deshalb in der Stadt treffen, damit sie nicht soviel Zeit verliert.« (Und es war sicherer.) Er nickte.
    »Gut, meine Liebe, wie du meinst. Solange sie weiß, daß sie jederzeit willkommen ist. Jeder ist willkommen.«
    Das ist gelogen, dachte Katherine, schreckte dann aber vor solcher Illoyalität zurück. Wenn die Loyalität erst einmal in Frage stand, gab’s kein Halten mehr. Auch eine Lebensweisheit aus einer Frauenzeitschrift. Jeanetta tauchte die Finger in den Zuckertopf, zog sie heraus und steckte sich das klebrige Pfötchen laut schmatzend in den Mund. Katherine und David zogen es beide

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