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Im Kinderzimmer

Im Kinderzimmer

Titel: Im Kinderzimmer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frances Fyfield
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sich später an das mit bitte und danke erinnert und seitdem Jeanetta regelmäßig ermahnt. Zu ihrer eigenen Überraschung half das tatsächlich. Vor allem wenn Eßbares zur Verstärkung eingesetzt wurde. Überraschend deshalb, weil ihre unzulänglichen, panisch-bemühten Erziehungsversuche sonst immer zum Scheitern verurteilt zu sein schienen.
    David fütterte Jeremy, der brav in seinem Kinderstuhl saß und sich widerstandslos einen undefinierbaren weißen Brei eintrichtern ließ.
    Nach jedem Löffelvoll schabte David dem Kleinen den überquellen-den Brei vom Kinn, während das Kind ein aufmerksam gesammeltes Gesicht machte. Jeanetta vermischte Erdbeerjoghurt mit ihren Lieb-lingsflocken und warf ihrer Mutter einen trotzigen Seitenblick zu, als ihr der Zucker, mit dem sie die Mischung krönte, daneben ging. Die Mama sah es nicht gern, wenn sie Zucker nahm, doch das hielt das Fräulein Tochter nicht ab. Sie hatte die eingebüßten Locken nicht vergessen, fand, eine Entschädigung sei angebracht. Den Mund voller Süße – so war Jeanetta selig, wie sie als Baby selig gewesen war, wenn sie Zucker in die Flasche bekam. Ihr nachzugeben war eine ständige Versuchung, selbst wider besseres Wissen. »Du brockst dem Kind Probleme für’s Leben ein!« hatte Mary sie gescholten.
    Direktes Zitat aus irgendeinem klugen Ratgeber. »Wie kannst du das 65
    sagen! Sie liebt Zucker«, hatte sich Katherine zur Wehr gesetzt, voller Groll. Laß mich in Ruhe! Wenn ich von jemandem Rat brauche, dann sicher nicht deinen! Doch Jeanetta war süchtig nach Zucker, Zucker garantierte den Frieden am Frühstückstisch, Zuckerverbot glich einer Kriegserklärung. Abgesehen vom geräuschvollen Zermatschen der Flocken im Joghurt, der hübschen Farbmischung wegen, herrschte im Augenblick Frieden.
    »Du siehst ein wenig müde aus, mein Schatz. Willst du wirklich zur Arbeit?«
    Katherine sah überrascht hoch. »Aber ja, sicher. Man rechnet doch mit mir. Zehn Uhr, wie immer. Wieso?«
    »Ich meine bloß.«
    Diese tägliche Litanei ärgerte sie. Natürlich ging sie zur Arbeit! Allein die Frage entwertete ihr Tun zum reinen Vergnügen, auf das verzichtet werden konnte, wenn nötig – als handele es sich nicht um eine verbindliche Abmachung, eine Verpflichtung. Sobald er andeu-tete, ihm würde es lieber sein, sie bliebe daheim, stand alles auf dem Spiel. Dabei nahm Katherine ihre Aufgabe ernst, selbst wenn sie bloß darin bestand, täglich drei Stunden lang Mr. Isaacs exklusive Ware zu hüten, zuvorkommend zwanglos mit Kunden zu plaudern und endlos am Fenster zu stehen, in den Anblick der Auslagen und des Treibens draußen versunken. Das Geschäft war eine Welt für sich, ein Hort all dessen, was sie schätzte. Besser wäre allerdings gewesen, wenn Mr. Isaacs nicht gerade ein Bekannter und ein Kunde Davids gewesen wäre, so daß ihr Verdienst, aufgrund irgendeiner undurchsichtigen Absprache, gegen die sie machtlos war und die sie nicht verstand, auf Davids Konto floß, statt direkt in ihre Tasche.
    »Steuerlich günstiger«, hatte er ihr erklärt, und zahlte ihr wiederum die Beträge aus. »Inwiefern?« hatte sie nachgehakt, die kümmerlich wenigen Scheine in der geballten Faust haltend. »Hör zu, mein Schatz, glaub mir einfach. Du weißt doch, wie schlecht du mit Geld umgehen kannst. So ist es besser, verstehst du?« Er hatte sie zart geküßt, ihr die Haare über den Schultern zurechtgestrichen und ihr, selbstverständlich Einverständnis voraussetzend, sein verführerisch-stes Lächeln geschenkt. Sie hatte nachgegeben, sein Lächeln erwidert. Er hatte wohl recht, wahrscheinlich war es besser so. Und doch 66
    war sie es leid, immer zu lächeln. Was hätte sie ihm auch entgegnen können, wo sie doch wußte, daß ihr das Geld zwischen den Fingern zerrann, ohne Spuren zu hinterlassen. Extravaganzen – keine Ahnung, wo das Geld blieb, sie wußte es nie, und diese Unkenntnis war sehr beschämend.
    Jetzt, am Frühstückstisch, den Anblick des gestutzten Haars mei-dend, fiel ihr Blick wieder auf Jeanettas T-Shirt, das über den weißen Kinderbauch hochgerutscht war. Die Kleine griente sie an, erdbeer-farbene Flocken zwischen den weißen Zähnen. Eine von Jeanettas liebsten Maschen: Sie wurde es nicht müde, ihnen genau vorzuführen, was sie gerade aß. Ja, unbedingt etwas Neues zum Anziehen für Jeanetta. Mist, verdammter! Jeanetta zeigte jetzt David ihre Zähne, wurde ignoriert. »Laß das bitte, Schatz«, murmelte Katherine und langte nach der Kaffeekanne.

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