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Im Kinderzimmer

Im Kinderzimmer

Titel: Im Kinderzimmer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frances Fyfield
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vor, sie nicht zu beach-ten.
    An guten Tagen lief im Haushalt alles wie eine gut geölte Maschine: Viertel vor neun erschien in der Tür die Dame des Hauses, Jeremy in der Karre vor sich herschiebend, hinter sich Jeanetta, den Schlafanzug über den Boden schleifend. Nach dem Spielzeug greinend, das zurückgeblieben war, blieb sie bockig stehen und eilte dann doch dem Tag entgegen, begierig auf Mrs. Harrison und die Aussicht auf ein zweites Frühstück. Die kleine Gruppe rumpelte drei, vier breite Stufen hinunter. Rasch, rasch, den blinzelnden, strahlenden Jeremy links herum rollen und noch mal vier Stufen hinab, dann die angrenzenden steileren Stufen wieder hinauf – allesamt ungeduldig, diese erste Ablösung des Tages hinter sich zu bringen. Dann Mrs. Harrison an der Tür, ein breites Lächeln für den kleinen Trupp auf den Lippen, ein Lächeln, das schwand, als sie den Schlafanzug erblickte, staubig vom Schleifen, von Jeanetta an die Brust gepreßt wie eine Opfergabe. »Ach, wenn Sie einen Moment Zeit hätten, Mrs.
    Allendale«, sagte sie betont, »würde Mrs. Pearson gern mit Ihnen sprechen.« Sie zeigte dabei nach hinten ins Haus, als wolle sie einen bösen Geist beschwören. Das klang bedrohlich, so bedrohlich, daß Katherine, einem weiteren Konflikt jetzt nicht gewachsen, irgend etwas von »Ja, ja, gern, heute abend, bin leider in furchtbarer Eile«
    murmelte und mit einem strahlenden Lächeln und einem letzten Winken die Straße hinabfloh. Mrs. Harrison sah ihr kopfschüttelnd nach. Nahm ein zweites Kleid zur Arbeit mit; vornehm geht die Welt zugrunde! Jeanetta drängte zur Tür herein, ohne ein einziges Mal 69
    zurückzuschauen, und ließ den Schlafanzug zusammen mit dem roten Umhang, den sie sich in allerletzter Minute aus dem Spielerker geschnappt hatte, achtlos zu Boden gleiten. Jeremy streckte Mrs.
    Harrison seine Ärmchen entgegen.
    »Sieh sie dir an, als ob sie vor etwas davonläuft«, schimpfte Mrs.
    Harrison und schnalzte mit der Zunge. Sie blieb einen Moment lang in der Tür stehen, Jeremy auf dem Arm, und sah der schrumpfenden Gestalt Katherines nach. Bald stemmte sich Jeremy gegen die Umklammerung, sie setzte ihn ab. Er tapste ins Haus hinein und wurde sogleich von Mr. Harrison am Ende des Flurs in Empfang genommen und die Treppe hinunter bugsiert in die eigene Wohnung. Morgens hatte Harrison Spaß an den Kindern, erst nachmittags ließ seine Geduld etwas nach. Jeanetta war sicherlich schon hochgenommen worden und hatte einen Schmatz auf die Backe bekommen, begleitet von einer Begrüßung wie: »Guten Morgen, meine Süße, und wie geht’s uns heute?« – eine Umarmung, deren Dauer zwar durch ihr beachtliches Gewicht und seine Arthritis Grenzen gesetzt waren, die beide jedoch genossen. Jeanetta zeigte ihre Zuneigung morgens immer mit Ungestüm, dann aber wandte sie sich sogleich mit hündischer Ergebenheit Mark Pearson zu, sofern er nicht in der Schule war, oder mit Herablassung seiner Schwester, war er es doch. In den Schulferien war Jeanetta viel leichter bei Laune zu halten.
    Diese Morgenstunde hatte für Mrs. Harrison wahrlich Gold im Mund. Noch in ihren Hausschuhen, entspannt an den Türpfosten gelehnt, betrachtete sie mit Wohlwollen die Straße und kramte aus der Tasche ihre stets mitgeführten Zigaretten hervor. Dieser Augenblick, wenn ihre Arbeitgeber aufgebrochen und das Haus ihr überlassen hatten, beschwingte sie. Nicht, daß sie ein solches Haus hätte besitzen wollen. Sie hätte nicht einmal im Traum gewußt, was sie mit den vielen Zimmern sollte, denen Harrison Tag für Tag seine Aufmerksamkeit widmete, aber sie genoß das zeitlich begrenzte Ge-fühl, Herrin über alles zu sein. Für eine kurze Zeitspanne. Die Sonne schien, in der Kastanie auf der dem Haus gegenüberliegenden Seite der Straße zwitscherten Vögel. Sie hätte sich natürlich auch in den Garten setzen können, aber im Garten war es still, und sie hatte gern ein bißchen Leben um sich. Außerdem war das praktisch die einzige 70
    Tageszeit, wo auf der Straße was los war. Dicke Wagen fuhren vorbei, Menschen waren auf den Bürgersteigen unterwegs – die günstige Gelegenheit zum Gucken und vielleicht zu einem kleinen Schwatz wollte sie sich nicht entgehen lassen. Eileen setzte sich auf die zweite der vier Stufen, freute sich, daß nichts ihren Blick verstellte, und steckte sich ihre erste Zigarette an.
    Nicht gerade eine freundliche Nachbarschaft, aber nicht übel, wenn die Bonzen zur Arbeit aufgebrochen waren – die,

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