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Im Kinderzimmer

Im Kinderzimmer

Titel: Im Kinderzimmer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frances Fyfield
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jemals abnehmen, wenn sie sich nicht bewegen kann?
    Sie scheint auf einmal überhaupt nichts mehr zum Anziehen zu haben. Wie bei Glühbirnen, die immer alle gleichzeitig durchbrennen.«
    Na, schön: wenn das alles war. Für konkrete Anliegen konnte sich Mary begeistern, und sie schämte sich ein wenig ihrer Angst.
    »Du könntest bei Oxfam mal gucken – oder in einem der anderen Wohlfahrtsläden. Es gibt sie sogar im Westend, weißt du, du brauch-test nicht einmal erst den Bus nehmen. Oder…« – jetzt kam sie richtig in Fahrt – »…diese todschicken Kinderboutiquen, da kennst du doch sicher einige, dort könntest du so einen niedlichen kleinen Chi-nesenanzug bekommen, du weißt schon, diese Art Uniformen, die die kleinen Rotchinesen tragen auf den Postern, auf denen immer der Vorsitzende Mao mit abgebildet ist. Müssen ja praktisch sein, solange es keine Seide ist und solange du ihr nicht die Füße einbindest.«
    Bei der Vorstellung mußte sie lachen: die fette kleine Jeanetta Allendale, orientalisch bunt gewandet auf kleinen Schweinsfüßchen. Katherine horchte auf.
    »Oxfam?« wiederholte sie.
    »Katherine, nun tu nicht so, als wäre dir Oxfam kein Begriff, du hast jahrelang Oxfam-Sachen getragen als Fachoberschülerin. Du hast dir die Sachen immer umgeändert, tolle Klamotten geschneidert.
    Dein windiges Diplom verdankst du doch allein diesem Projekt damals, zum Thema ›Wie man aus nichts etwas macht‹ oder so ähnlich!«
    Jetzt war es an Katherine, bei dem Gedanken an die Vergangenheit eine Gänsehaut zu kriegen. Plötzlich war der muffige Geruch der Altkleider wieder da, der ranzige, ärmliche Mief, plötzlich sah sie sich wieder zwischen den Kleiderbügeln wühlen nach einer Farbe, mitten im Dunstkreis ältlicher, armer Frauen, vor denen es sie ge-ekelt hatte. »Ja, doch, ich weiß. Aber ich kann mich nicht an Kindersachen erinnern. Außerdem gehe ich dort nie wieder hin.« Das letzte stieß sie gepreßt hervor, und erschrocken sah Mary, daß Katherines Knöchel weiß wurden, ihr Croissant unter dem Druck ihrer Finger zerbröselt wurde und die Krümel über den Tellerrand hinausflogen.

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    »Sollst du ja auch nicht. Warum merkst du denn nie, wenn ich dich aufziehe, dumme Gans. Und wo in aller Welt liegt das Problem?
    David kauft Jeanetta doch sicher Kleidung, oder? Er kauft doch auch deine.«
    Katherine sah entrückt durch sie hindurch, und Mary verspürte zum zweitenmal an diesem Nachmittag einen Kloß im Hals. Sie kannte diesen leeren, hoffnungslosen Blick, und er beunruhigte und ärgerte sie gleichermaßen, wie immer schon. »Kopf hoch, Katherine«, sagte sie betont munter, »David kümmert sich schon darum.«
    »Das geht nicht«, erklärte Katherine sanft. Dann rutschte es ihr wie Schluckauf heraus: »Verstehst du, David glaubt, Jeanetta sei nicht sein Kind. Er ist fest davon überzeugt, daß Jeanetta von jemand anderem ist.«
    Die Krümel waren auf dem weißen Tischtuch wie Konfetti um den Teller verteilt. Mary saß reglos. Sie hatte wieder das Konfetti bei Katherines Hochzeit vor Augen. Es war ganz gut gewesen, daß es kaum Verwandte gab, die hätten erscheinen können – in Anbetracht des Bäuchleins, das sich unter dem cremefarbenen Kleid der Braut abzeichnete, das sie einem weißen vorgezogen hatte. »Es steht dir nicht zu, Weiß zu tragen!« hatte die Schwester sie angefahren. »Du kannst von Glück reden, daß du einen anständigen Kerl wie David gefunden hast, der dich abgöttisch liebt, aber trag um Himmels willen kein Weiß! Selbst wenn du vorhast, in Zukunft die Tugendhaf-tigkeit in Person zu sein und es nicht mehr nötig hast, von einem Bett ins nächste zu fallen, nur weil du es nicht aushältst, allein zu sein, als wärst du ein hilfloser Säugling; weil du dich an alles heranschmeißt, was ein bißchen Nestwärme verspricht, koste es, was es wolle. Meine Güte, selbst als David als rettender Prinz auf den Plan getreten ist und der Prinzessin zu Füßen lag, konntest du es nicht lassen!« Am ersten Abend schon war Katherine mit David ins Bett gegangen –
    Mary erinnerte sich an ihr Stöhnen, das sie durch die Wand gehört hatte, obwohl sie sich die Finger in die Ohren gesteckt hatte. Aber Katherine hatte nie viel Gedanken an die Folgen ihres Handelns verschwendet, ihr Leben war ein einziger Kollisionskurs. Und Mary sammelte die Scherben auf. Einige der Männer waren in Marys Bett übergewechselt, wo es ihnen vielleicht etwas weniger gut gefiel, wo 82
    es aber zuverlässiger

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