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Im Kinderzimmer

Im Kinderzimmer

Titel: Im Kinderzimmer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frances Fyfield
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hastigen letzten Blick auf die Uhr, die sie im vergeblichen Versuch, sich selbst zu übertölpeln, vorgestellt hatte. Gerade noch fünfzehn Minuten, ein bißchen knapp nach dem Anstehen vor Dusche und Haartrockner im Fitneß-Center. Jetzt war sie wieder fast an ihrem Ausgangspunkt, nur drei Türen von Mr. Isaacs Geschäft in der vornehmen Marble Street entfernt stand sie vor der Auslage von Davids bevorzugter Boutique. Sie hatte Mary einmal von der Boutique erzählt und die Straße, an deren anderem Ende sie sich in der Regel trafen, hinuntergezeigt. »Ach, trägt er neuerdings Kleider?«
    hatte Mary gefragt und sich dumm gestellt. »Aber nein, für mich, alberne Gans. Ihm gefallen die Kleider aus dem Laden an mir.«
    »Aha, du meinst, so wie ein Rennpferd in den Farben des Stallbe-sitzers an den Start geht«, hatte Mary spitz bemerkt, »gehst du in seinen Farben.«
    »Ach was«, hatte Katherine verärgert abgewehrt und das Thema lieber fallengelassen. Immer mußte Mary sie in dieser Weise an ihren Platz verweisen, und am schärfsten wurde Mary immer dann, wenn sie neidisch war. Diese Einsicht war irgendwie eine Entschädigung.
    Katherine konnte sich nur schwer entschließen, bescheidener gekleidet als sonst zu den Verabredungen mit der Schwester zu erscheinen, um Bemerkungen wie »Das ist ja hübsch, muß eine Stange Geld gekostet haben« zu umgehen, und fragte sich, ob sie sich nicht erst recht herausputzen sollte, zur Hebung ihres Selbstwertgefühls und um auf subtile Weise Neid zu provozieren und ihre eigene Unabhängigkeit zu unterstreichen. Allerdings war der Unterschied minimal: Sie kleidete sich stets mit sicherem Geschmack, das und der Wert, den sie auf ihre äußere Erscheinung legte, waren ein und dasselbe, und wenn Davids Präferenzen und Mr. Isaacs Erwartungen an seine Verkaufsassistentin in Richtung Westend-Designermode gin-75
    gen, dann war das eben so. Katherine trug heute dasselbe elfenbeinfarbene Kleid wie am Vortag, nur mit anderen Ohrringen, Brosche und Schuhen. Sehr elegant. Die Henkel der Tasche, die sie trug, schnitten in die heiße Hand, als sie nun ihre Hast zu würdevollem Schrittempo bremste und mit gespielter Gelassenheit die Boutique betrat. Ein schwieriger Tag: Keine Zeit zum Trödeln und Träumen, wie sie es so gerne tat.
    »Ach, Mrs. Allendale, was für ein Jammer! Mr. Allendale war fel-senfest davon überzeugt, daß es Ihnen stehen würde. Na, macht nichts. Wollen Sie nicht etwas anderes anprobieren? Dieses? Wirklich? Es ist keine reine Seide, wissen Sie, nicht allererste Qualität.«
    Ein verächtliches Verziehen der Mundwinkel begleitete die Worte.
    »Das schlägt sich natürlich auch im Preis nieder. Aber ja, die Differenz schreiben wir gut. Bar? Die gnädige Frau hätte es gern bar?«
    Augenbrauen schossen himmelwärts, als wäre ein Vulgärausdruck gefallen.
    Verärgertes Rascheln mit Seidenpapier. Immer hübsch freundlich bleiben, der Kunde ist König, hübsch zuvorkommend sein. Besonders bei schwierigen Kunden wie der jungen Mrs. Allendale. Wie eigenartig, daß sie ein so billiges Kleid vorzog, noch dazu in der Farbe! Sonst kauft ihr ja der Mann die Kleider, wissen Sie? Weshalb? Weil sie, ganz unter uns gesagt, nicht mit Geld umgehen kann, weil man ihr keine Kreditkarten überlassen darf. So habe ich es verstanden. Ganz im Vertrauen natürlich nur. Katherine, die selbst in einem ähnlichen Geschäft bediente und mit ähnlichen Kunden zu tun hatte, die wußte, wie man mit ihnen kokettieren oder ihnen schmeicheln mußte, wußte ganz genau, was die Geschäftsführerin dachte.
    Hat keinen Kopf für Finanzen, versteht nichts vom Geld. Sagt man.
    Ja und? Lästige, blöde Kuh. Katherine stand wieder auf der Straße, erhitzt und siegreich. Das Kleid war ihr gleichgültig, wichtig waren die fünfzig Pfund. Sie kam sich unendlich reich, unabhängig und großzügig vor.
    Sie kam jetzt schon zwei Minuten zu spät zur Verabredung im Café am Ende der Straße, wohin sie in ihren winzigen italienischen Schuhen trippelte, Erleichterung in jedem beschwingten Schritt. An ihrem Tisch blickte Mary auf ihre schwere Männerarmbanduhr, bemerkte 76
    dann Katherines glanzvolles Entree und stellte mit Selbstzufriedenheit fest, daß ihre kleine Schwester sich offenbar richtig freute, sie zu sehen. Die Feststellung stimmte sie milde. Sie setzte sich auf, zupfte sich die extrem kurzen Haare, den schlichten schwarzen Pullover zurecht. Sie konnte sich vielleicht nicht ganz der Anmut und des Liebreizes der

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