Im Kinderzimmer
Nachbarn zu haben. Es liegt uns viel an eurer Freundschaft.«
Und wieviel hätte mir in dem Moment daran gelegen; ich wollte mich aussprechen, wollte eingestehen, wie schlecht es um uns wirklich bestellt war, hätte am liebsten gesagt, er möchte Katherine doch bitten, vorbeizuschauen. Damit ich ihr alles erklären und mich aus-204
heulen könnte, was immer ich schon von ihr gedacht haben mochte.
Doch ich bekam es einfach nicht heraus, der Unterkiefer klappte mir auf und zu wie bei einem gestrandeten Fisch, der Stolz behielt die Oberhand über die Not.
Wir versicherten uns daher lediglich unseres gegenseitigen Wohlwollens, und nach derlei kameradschaftlichem verbalem Schulter-klopfen, mit dem er und seine mannhaften Geschlechtsgenossen sich gern Mut und Trost zusprechen und das bei mir ähnlich zieht, brach er auf. Doch kaum war er zur Tür hinaus, da regte sich der Zorn, der in seiner Gegenwart geschlummert hatte, mit neuer Heftigkeit, und ich kehrte zu den Fragen zurück, die mich vor seinem Besuch beschäftigt hatten. Nervöse Finger suchten den Schuhkarton, den er achtlos beiseite geschoben hatte. Mich ärgerte es, daß er den Karton angefaßt und den Inhalt wie uninteressiert betrachtet hatte. Patsy rumorte neben mir. Sie hatte ihm hinterhergeknurrt, als er die Treppe hinunterstieg, der verdammte Köter hatte sich zu meinem Sprachrohr gemacht, einem ziemlich unhöflichen Alter ego. »Ungezogenes Mädchen!« Ich gab ihr einen Klaps auf die Schnauze. Für Nachwehen wäre später noch Zeit genug, jetzt war ich zu mehr nicht fähig als weiter nach der Halskette zu suchen. Zugleich fragte ich mich, wie ich Mrs. Harrison die Hiobsbotschaft bloß übermitteln sollte.
Nach Mrs. Harrison, dieser wahren Herrin im Hause, durfte ich nicht rufen, ich müßte schon selbst runtergehen. Vielleicht den Gin mitnehmen, ihn mit dem Tonic vermählen und mir auf diese Weise Mut machen. Sie kam just in dem Augenblick in die Küche hinaufge-keucht, da ich – kaum eleganter als die gute Patsy, aber ohne ihren Gleichmut – demselben Ziel zustrebte.
Ich bin nun mal nicht sonderlich geschickt, geschweige denn di-plomatisch, und zur Zeit poltern mir die Worte besonders barsch heraus, schroffe Feststellungen, hinter denen das, was ich nicht aussprechen kann, verborgen werden soll, Kurzangebundenheit als die einzige Kommunikationsform, die mir zu Gebote steht.
»Die Allendale-Kinder werden ab Montag nicht mehr kommen. Hat er mir eben eröffnet. Die Mutter will zur Abwechslung selbst mal Hand anlegen, weil sie ihren albernen Job los ist. Also wird sie Voll-zeitmutter. Dann wären da noch Jeremys Zerbrechlichkeit und seine 205
Allergie gegen unseren Hund. Ist Ihnen je aufgefallen, daß er empfindlich wäre?«
»Ich dachte immer, er hätte Heuschnupfen.«
Ich habe unsere wehrhafte Mrs. Harrison noch nie fassungslos gesehen, doch sie wurde tatsächlich kreidebleich und brauchte eine gute Weile, um sich von dem Schlag zu erholen.
»Aber was wird aus Jeanetta?« fragte sie heiser und ließ ihren aus-ladenden Hintern auf einen der Küchenstühle sacken. »Was wird aus der armen Jeanetta…?«
»Was soll schon aus ihr werden? Wir können ja nichts machen.«
»Ach, armer Wurm, armer Wurm, ein Elend.«
Sie schüttelte den grauen Kopf hin und her, wie ein Hund, der versucht, eine Fliege loszuwerden.
»Wieso arm? Die haben doch Geld wie Heu.«
Ich konnte es nicht ertragen, daß Mrs. Harrison außer Kontrolle geriet. Wenn hier noch mehr Gefühle herumschwappten, hielte ich es nicht mehr aus.
»Ein Elend«, wiederholte sie ständig, »ein Elend.«
»Nun fangen Sie sich doch wieder«, bellte ich fast, »das nützt doch auch nichts. Die werden sicher weiterhin hier ein- und ausgehen.
Und Sie bekommen den gleichen Lohn und haben weniger Arbeit.
Mr. Allendale hat ausdrücklich gesagt, wie dankbar er ist, und er wird sich erkenntlich zeigen – und nicht zu knapp.«
Wenn ich geglaubt hatte, sie damit aufmuntern zu können, dann hatte ich mich gründlich getäuscht. Man vergißt bei ihrem grobschlächtigen Äußeren nur allzu leicht das weiche Herz unter der rau-hen Kittelschürzenschale, selbiges, um dessen willen die Kinder sie so lieben, bei aller Strenge. Und wie immer im Umgang mit Personal, bereute ich meine Worte, fühlte ich mich unbeholfen, ohne es deswegen aber besser machen zu können, gefangen wie ich war in der Zwangsjacke meiner brüsken Art.
»Wollen Sie nicht vielleicht einen kleinen Drink nehmen, Mrs.
Harrison? Bitte
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