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Im Königreich der Frommen (German Edition)

Im Königreich der Frommen (German Edition)

Titel: Im Königreich der Frommen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Boehm
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abendliche
Wasserpfeife, die ihm irgendjemand schon fertig gestopft hingestellt
hatte.
    Durch die
Straßensperre am Eingang von Qatif war ich wieder ohne
jegliche Probleme gesegelt. Ich saß zurückgelehnt auf dem
Rücksitz eines Taxis. Ein Soldat guckte kurz rein und winkte
uns gleich durch. Hätte mich jemand gefragt, hätte ich
gesagt, ich besuchte einen meiner Studenten in Qatif. Ich hatte
nichts in den Taschen, außer einem Stift und ein paar
unbeschriebenen Blättern Papier.
    Klar, an allen
zentralen Adern der Stadt waren Straßensperren, an denen die
Polizei Fahrzeuge kontrollierte. Nachts patrouillierten leichte
Panzer die Straßen. Aber die englischsprachigen Zeitungen
hatten am Morgen gemeldet, die Sicherheitskräfte wollten ihren
Teil dazu beitragen, dass die Muharram-Feierlichkeiten friedlich
verliefen. Und so war es.
    Hassan holte mich
vor einem großen Einkaufszentrum ab. Nach einem Tee in seiner
Wohnung gingen wir zusammen zu einer Moschee in der Innenstadt zur
öffentlichen Vorlesung der Geschichte Husseins.
    Im Monat Muharram
gedenken die Schiiten zehn Tage lang der Niederlage und dem
tragischen Tod Imam Husseins in der Schlacht von Kerbala, im
heutigen Irak. Auf diese Schlacht geht die Spaltung des Islam in die
zwei Hauptsekten zurück: Sunniten und Schiiten.
    Hussein war der
Sohn Alis und Fatimas. Ali, Husseins Vater, war der Cousin des
Propheten, Fatima wiederum seine jüngste Tochter. Hussein war
also der Enkel des Propheten (und gleichzeitig sein Groß-Cousin).
Soweit die Familiengeschichte.
    Husseins Vater Ali
war aber außerdem der vierte und letzte „rechtgeleitete“
Führer der Gläubigen, der letzte Kalif vor der Spaltung.
Die Grundlage für die Spaltung hatte aber schon die Ermordung
Osmans gelegt, des dritten „rechtgeleiteten“ Kalifen.
    Muawija, einer von
Osmans Nachkommen und von ihm ernannter Statthalter in Damaskus
erkannte die Ernennung Alis zum Kalifen nämlich schon nicht
mehr an. Einige argumentierten wie er, die Gläubigen dürften
nicht von einer Familiendynastie geführt werden, andere
wiederum, nur ein Nachkomme des Propheten wie Ali oder Hussein dürfe
Kalif werden. Einer der Gegenpartei ermordete Ali.
    Nach der Ermordung
Alis ernannte sich Muawija zum Führer der Gläubigen. Damit
verlagerte sich das Zentrum des Islam von der Arabischen Halbinsel
ins syrische Damaskus. Nur widerwillig fügten sich die Anhänger
Husseins in Muawijas Kalifat. Sie verhandelten einen Kompromiss,
dessen wichtigste Bedingung war, dass Muawija keinen Nachfolger
berufen durfte. Nach seinem Tod sollte der Kalif von den Gläubigen
bestimmt werden. Muawija jedoch kürte seinen Sohn Jazid zu
seinem Nachfolger.
    Hussein weigerte
sich, Jazids Kalifat anzuerkennen. Kufa, der Regierungssitz von
Husseins Vater Ali im heutigen Irak, schickte Emissäre, die
ihre Loyalität ihm gegenüber bekundeten. Hussein schickte
seinen Cousin Muslim nach Kufa, der dort begeistert aufgenommen
wurde. Hussein machte sich mit einem kleinen Heer Getreuer selbst
auf den Weg nach Kufa.
    Bevor Hussein Kufa
erreichen konnte, war die Stadt jedoch schon wieder in der Hand des
Kalifen. Jazid hatte einen neuen Gouverneur ernannt. Der Emissär
Muslim wurde hingerichtet. Trotzdem kehrte Hussein mit seiner
kleinen Armee nicht um. Obwohl er wusste, eine große Übermacht
erwartete ihn, ritt er einfach weiter – und wurde bei Kerbala
vernichtend geschlagen. Mit ihm wurde sein sechs Monate alter Sohn
getötet. Seine weiblichen Angehörigen wurden verschleppt.
    Im Muharram, dem
Monat nach dem Ramadan, erzählen die schiitischen Imame jedes
Jahr aufs Neue die tragische Geschichte Husseins. An Aschura, dem
zehnten Tag Muharrams, erreichen die öffentlichen Vorlesungen
ihren Höhepunkt mit der Schlacht von Kerbala und dem Tod des
Enkels des Propheten.
    Es ist eine
Geschichte vom Verrat der Leute von Kufa; dem legitimen Nachfolger
des Propheten, dem das ihm zustehende Amt verweigert wurde; dem
aufrechten Heldenmut Husseins und seiner Opferbereitschaft, in den
Tod zu gehen, für das, wofür er stand.
    Husseins Ende ist
durch viele Legenden überlagert, Sunniten und Schiiten erzählen
natürlich verschiedene Versionen dieser Ereignisse und es gibt
regionale Varianten. Sie liegen auch fast 1.400 Jahre zurück,
dennoch sind diese Ereignisse jedem schiitischen Kind so geläufig,
als hätten sie sich gestern zugetragen.
    Hassan und ich
gingen zu einer Moschee in den engen Gassen der Innenstadt. Sie sah
nicht aus wie eine Moschee. Zwei andere

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