Im Königreich der Frommen (German Edition)
der Straße gefahren hatten, als ich zitternd auf dem
Gehsteig stand und mir vom inneren Kopfschütteln ganz
schwurbelig war, sah ich Familie Beduine, den Kopf geradeaus, weiter
ihrer Wege ziehen. Sie war in der Spur, um mehr Ungeziefer von der
Straße zu entfernen und blieb dabei ganz trocken.
Zurück zu dem
Drifter-Treffen. Bevor die Polizei kommen kann, ist das Driften an
diesem Abend vorbei und die jungen Männer machen sich auf den
Weg zu einem Café, um in der Runde zu sitzen und
Wasserpfeifen zu rauchen. Die meisten sind Studenten um die zwanzig,
einige sind sogar jünger und gehen noch zur Schule. Diejenigen,
die an der Al Imam Universität in Riad studieren, tragen dort
den Thoube, das traditionelle weiße lange Gewand, und das
rot-weiße Tuch, den Schamagh, über dem Kopf. Nun jedoch
haben sie Jeans und T-Shirt an und tragen die eine oder andere
Baseballmütze mit dem Schirm nach hinten.
Auf die Frage,
warum sie eigentlich driften, sagt Tariq schlicht: „Bei uns
gibt es nichts anderes zu tun.“ Und die anderen, die um ihn
herum sitzen, nicken stumm. „Was sollen wir auch sonst
machen?“, sagt ein anderer.
Resigniert hört
sich das an. So als sei das etwas Gegebenes, das niemand ändern
kann. Und Adnan, der Ingenieurwesen studiert, fügt hinzu: „In
unserem Auto können wir machen, was wir wollen. Da kann uns
niemand reinreden.“
Saudi Arabien und
seine jungen Männer: Das ist ein Kapitel, das nicht zum ersten
Mal in die Schlagzeilen gerät. Fünfzehn der neunzehn
Selbstmordattentäter des 11. September waren junge Saudis.
Einige von ihnen frequentierten Striptease-Clubs und Prostituierte,
bevor sie in den Märtyrerhimmel aufgestiegen sind. Nach
amerikanischen Medienberichten waren fast die Hälfte der
ausländischen Al Quaida-Kämpfer nach der US-Invasion im
Irak junge Saudis.
Das ist wohl kein
Zufall. Wegen der rigiden wahabischen Auslegung des Koran herrscht
in der saudischen Gesellschaft die wohl strikteste
Geschlechtertrennung der Welt. Im Kindergarten, in der Schule, an
der Universität, in Sportvereinen und Moscheen und, außer
in einigen liberalen Oasen, am Arbeitsplatz sind im Königreich
überall im alltäglichen Leben beide Geschlechter streng
voneinander geschieden. An Wochenenden, wenn dort am meisten los
ist, werden unverheiratete Männer sogar aus den Ladenpassagen
gebannt. Im Königreich gibt es keine Kinos, keine Jugendclubs,
keine Bars oder gar Diskotheken. Oft mieten ein paar Freunde ein
Haus, um sich abends zu treffen und Wasserpfeife zu rauchen und
Videospiele zu daddeln.
Aber das Driften
ist nicht nur eine Geschichte über die jungen saudischen
Männer, sondern eine über das Land im allgemeinen. Denn
nicht nur die jungen Saudis finden in ihren Autos einen Ort, in dem
sie sich ausleben können, sondern das ganze Land tut das. Ja,
das ganze Land scheint geradezu für das Auto erfunden und dafür
gebaut.
Riad, das bis in
die dreißiger Jahre ein beschauliches Wüstenstädtchen
war, ist dafür typisch. Und da, wo wie in Dschidda die
Siedlungen nicht schon vor dem Öl-Boom gewachsen sind, sehen
die anderen Städte auch nicht viel anders aus.
Riesige
Stadtautobahnen ziehen sich durch diese Städte. Manchmal sind
sie auf beiden Seiten sieben- oder achtspurig. In Riad gibt es eine
große Autobahn, die die innere Stadt wie einen Ring
umschließt. Die Viertel werden oft nach Ausfahrten benannt,
die man auf ihr nehmen muss, um dorthin zu fahren.
Riad ist riesig.
Die Stadt hat eine Nord-Süd-Ausdehnung von mindestens fünfzig
Kilometern und reicht fast eben so weit von Ost nach West. In der
ganzen Stadt gibt es ein paar Palmen, aber keinen Hügel, kein
Tal, keinen Fluss, keine Brücke, nur Vorstadt nach Vorstadt,
wohin man auch schaut.
In der
überschaubaren Innenstadt stehen ein paar Hochhäuser, und
in Batha, dem historischen Stadtkern, gibt es viele kleine Läden,
den großen Markt und einige Wohnblocks. Aber kurz danach
beginnt eine Vorstadt nach der anderen, hinaus in die Wüste zu
wachsen.
Diese Vorstädte
sind so uniform und verwechselbar, dass sie eine eigene Art Wüste
darstellen: Die breiten Straßen, die Häuser, die wie
große Bauklötze aussehen mit winzigen Fenstern, die
Neonreklamen über dem Erdgeschoss, darin Tante-Emma-Läden,
Reinigungen, Frisöre, Fast-Food-Restaurants. Das saudische
Service-Angebot.
Alle paar Kilometer
gibt es Malls – die nach amerikanischem Vorbild geschaffenen
Ladenpassagen. Sie haben riesige Parkplätze oder Parkhäuser,
damit man mit
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