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Im Königreich der Frommen (German Edition)

Im Königreich der Frommen (German Edition)

Titel: Im Königreich der Frommen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Boehm
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Deutschland und danach wurde ich an eine andere Uni versetzt.
    Warum konnte ich in
der Hitze fahren? In Riad ist die Luft so trocken, dass du selbst in
der größten Hitze nicht schwitzt. Der Schweiß wird
gleich wie von einem himmelgroßen Trockner von der Haut
getragen. Erst als ich in den klimatisierten Räumen der
Universität ankam, lief das Wasser an mir runter, aber nicht
lang, schnell war ich wieder bei Normal Null.
    Am schlimmsten ist
mir die Hitze auch nicht in der gleißenden Mittagssonne
erschienen, sondern abends um neun. Es war stockdunkel, die Sonne
war schon ein paar Stunden untergegangen, aber es war immer noch
über vierzig Grad heiß. Jetzt strahlte der Teer. Jetzt
erschien mir die Stadt unwirklich, ein bisschen wie verzaubert. Wie
konnte es ohne Sonne so heiß sein? Wer heizte hier ein?
    Trotz der Hitze
vergaß ich nie meine prekäre Situation. Sie machte mich
schwindelig, aber sie trübte nie mein Bewusstsein, dass ich ein
äußerst verwundbares Geschöpf war unter Leuten, die
nach der freien, weiten Fahrbahn lechzten. Was sie zum Rasen trieb,
blieb mir bis zum Ende verschlossen, aber das war auch nicht
entscheidend. Sie rasten. Das war entscheidend. Und ich war im Weg.
    Einmal wartete ich
geduldig an der Ampel. Das war in Batha, also in der Innenstadt, mit
seinen für Riad engen Straßen. Es gab zwei Fahrbahnen:
eine linke zum geradeaus Fahren und eine rechte zum geradeaus Fahren
und rechts Abbiegen. Ich wollte geradeaus fahren, hatte ich mich
aber wohlweislich am Rand der rechten Fahrbahn postiert. Hätte
ich mich in die Mitte gestellt, wäre ich schnell zwischen
Rasera und Rasybdis geraten. Bei Grün hätten mich die
Geschwindigkeitstollen auf der linken Seite sofort zusammengehupt
und wären mit Mindestabstand von zehn Zentimetern an mir
vorbeigeschossen. Und die auf der rechten Seite ebenso.
    Saudi Arabien ist
aber eines der Länder, in denen man auch bei Rot rechts
abbiegen darf. Aber ich wollte ja nicht abbiegen. Deshalb wartete
ich, nicht Böses ahnend, schön auf der rechten Spur, als
ich mich auf einmal unsanft noch vorne gedrückt fühlte.
    Nanu! Ich drehte
mich um. Ein fetter Mann in einem Geländewagen älteren
Modells stand zwei Zentimeter hinter mir. Neben ihm saßen zwei
Vaders, wahrscheinlich seine Frau und seine Tochter, und im Fond
auch noch ein junger Bursche. Wie bei seinem Vater schien bei
näherer Betrachtung sein Thoube nicht besonders sauber. Alle
fixierten einen imaginären Punkt halbhoch zwischen Himmel und
Riad. Familie Beduine hatte mich gerade mit ihrem Geländewagen
angeschubst, wie anderswo Halbstarke im Autoscooter kreischende
Dirndeln auf der Kirchweih.
    Ich legte mein
Fahrrad auf dem Boden ab. Zur Gewichtsreduktion hatte ich den
Ständer abgeschraubt. Dann lief ich zum Fenster auf der
Fahrerseite des Geländewagens und gab dem Familienchef ein
Ohrvoll. Sein Fenster stand offen, aber er stierte weiter gelassen
geradeaus.
    Ich hatte mich kaum
wieder auf mein Fahrrad gesetzt, da wurde ich schon wieder unsanft
nach vorne gestoßen. Diesmal aber mit mehr Vehemenz. Und:
Familienvater Beduine schob munter weiter.
    Ich sprang vom
Fahrrad und stemmte mich gegen die Motorhaube des Geländewagens.
Mit der einen Hand versuchte ich, das Auto zu stoppen, mit der
anderen mein Fahrrad so zu halten, dass es nicht unter die Räder
kam. Gevatter Beduine ließ munter die Kupplung kommen.
    Es war ein
ungleicher Kampf. Natürlich war mir klar, ich konnte ihn nicht
gewinnen. Aber schon in diesem Moment, als ich gegenhielt, konnte
ich es nicht glauben, dass jemand mit einem Auto einen Fußgänger
angriff.
    Und ich? Wie genau
war ich in diese Lage gekommen? Welcher Fußgänger stemmte
sich gegen ein Auto? Monatelang hatten Autofahrer auf mich Jagd
gemacht. In diesem Moment brach der Ärger aus mir heraus. Ich
war fest entschlossen, mich diesmal nicht von der Straße
drängen zu lassen. Jetzt kam es darauf an, den Kampf gewinnst
du jetzt, seit wann überfährt irgendjemand Fußgänger
ungestraft?
    Und was passierte?
    Den
Gesichtsausdruck des Beduinen, als er mich rüde von der Straße
schob, werde ich nie vergessen. Er sah mich immer noch nicht –
während er mich fast überfuhr. Er guckte so unbewegt an
mir vorbei in die stille Ferne mit einem Gesichtsausdruck, lustlos
und ausgeruht, mit dem andere Leute Nüsse schälen oder im
schattig kühlen Garten Unkraut jäten. Seine Brut saß
unbewegt daneben. Auch ihnen sah man keine Anstrengung an, mich
nicht zu sehen.
    Nachdem sie mich
von

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