Im Koenigreich der Traeume
»laß es nicht zu.«
»Ladies und Gentlemen«, dröhnte Stefan Westmorelands Stimme durch den Saal und hallte von den Steinwänden wider. »Ein Hoch auf den Duke of Claymore und seine Braut.«
Seine Braut... die Worte schrillten in Jennys Kopf und setzten all die Erinnerungen an die vergangenen Wochen frei ... Als sie wieder in die Wirklichkeit zurückkehrte, sah sie sich erschrocken um. Sie wußte nicht, wie lange sie in Träumereien versunken gewesen war, aber sobald sie in die Realität zurückkehrte, begann sie erneut zu beten. »Bitte, lieber Gott, verhindere diese Hochzeit ...« weinte ihr Herz ein letztes Mal, aber es war bereits zu spät. Ihre riesigen blauen Augen richteten sich auf die große Eichentür, die ein Lakai öffnete, um den Geistlichen, auf den alle warteten, einzulassen.
Ihr Vater stand neben der Tür, wechselte ein paar Worte mit einem Mann und rief laut: »Bruder Benedict...«
Jenny stockte der Atem.
»... hat uns eine Nachricht geschickt - er fühlt sich nicht gut.«
Ihr Herz setzte einen Schlag aus und klopfte dann um so schneller.
»Und die Trauung kann erst morgen vollzogen werden.«
»Ich danke dir, lieber Gott.«
Jenny versuchte, einen Schritt von dem Tisch zurückzutreten, aber plötzlich drehte sich der ganze Raum um sie, und sie konnte sich nicht mehr bewegen. Sie merkte selbst, daß sie langsam in eine Ohnmacht sank, und registrierte erschrocken, daß Royce Westmoreland die Person war, die ihr am nächsten stand.
Tante Elinor stieß einen spitzen Schrei aus, als sie Jennys Zustand bemerkte, und während sie zu ihrer Großnichte hastete, stieß sie die Clansmänner, die ihr im Weg standen, mit den Ellbogen zur Seite. Einen Augenblick später spürte Jenny ihre Umarmung und die pergamentene Wange, die sich an die ihre preßte. Eine schmerzlich vertraute Stimme plapperte in ihr Ohr: »Aber, aber, mein Kleines ... Atme tief durch, dann fühlst du dich sofort viel besser. Deine Tante Elinor ist ja da. Ich bringe dich hinauf in dein Zimmer.«
Die Worte trudelten zusammenhanglos durch den Raum, aber plötzlich ergaben sie einen Sinn. Freude und Erleichterung durchströmten Jenny, als ihr Vater den Gästen eine weitere Ankündigung machte.
»Die Hochzeit wird lediglich um einen Tag verschoben«, erklärte er donnernd und kehrte dabei den Engländern den Rücken zu. »Bruder Benedict plagt nur eine böse Übelkeit. Der gute Mann hat aber versprochen, morgen sein Krankenlager zu verlassen und herzukommen, um die Trauung zu vollziehen, egal wie schlecht er sich fühlen mag.«
Jenny wandte sich ab, um mit ihrer Tante die Halle zu verlassen, und warf einen verstohlenen Blick auf ihren >Verlobten<, weil sie wissen wollte, wie er auf diese Verspätung überhaupt reagierte. Der Schwarze Wolf schien ihre Gegenwart überhaupt nicht wahrzunehmen. Der Blick aus seinen zusammengekniffenen Augen war auf ihren Vater gerichtet, obwohl seine Miene unergründlich war, blitzten seine Augen kalt und argwöhnisch. Das Unwetter, das schon den ganzen Tag über umhergezogen war, hatte sich inzwischen zusammengebraut und tobte plötzlich mit voller Wucht. Ein Blitz zuckte über den dunklen Himmel, und kurz darauf brach ein unheilvoller Donner los.
»Jedenfalls«, fuhr Jennys Vater fort und richtete seine Worte an alle versammelten Gäste, ohne jedoch die Engländer eines Blickes zu würdigen, »findet das Festessen wie geplant heute abend statt. Der Gesandte von König Heinrich hat mir zu verstehen gegeben, daß die meisten Gäste den Wunsch haben, morgen sofort nach England zurückzukehren; ich fürchte jedoch, sie werden ohnehin einen Tag länger bleiben müssen, da unsere Straßen nach einem schweren Unwetter kaum passierbar sind.«
Aufgeregtes Stimmengewirr wurde auf beiden Seiten der Halle laut. Ohne auf die auf sie gerichteten Blicke zu achten, verließ Jenny an der Seite ihrer Tante den überfüllten Raum und ging die Treppe zu ihrem Schlafzimmer, dem Ort der Ruhe und des Trostes, hinauf. Gott hatte sie erhört und ihr einen Aufschub gewährt.
Nachdem sie die Tür zu ihrem Zimmer hinter sich geschlossen hatte, sank Jenny in die Arme ihrer Tante und weinte vor Erleichterung.
»Schon gut, mein Kätzchen«, sagte Tante Elinor, tätschelte ihr den Rücken und redete in ihrer eifrigen, zusammenhanglosen Art drauflos: »Zweifellos hast du schon gedacht, daß ich dich allein lasse, als ich vorgestern und gestern nicht hier ankam. Habe ich recht?«
Jenny schluckte die Tränen hinunter, lehnte sich
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