Im Koenigreich der Traeume
du dann vor, wenn Merrick herkommt?« Allmählich wurde Stefan ungeduldig.
Royce zog eine Augenbraue hoch, und seine grauen Augen blitzten höhnisch. »Ich werde den alten Herrn zu unserem Fest einladen.«
Stefan merkte, daß er es ernst meinte, stand langsam auf und hakte nach: »Und dann?«
»Dann erkennt er hoffentlich, daß es zwecklos ist, uns anzugreifen, wenn wir in der Überzahl sind.«
»Und wenn er das einfach nicht wahrhaben will?« bohrte Stefan weiter. »Oder wenn er darauf besteht, sich im Zweikampf mit dir zu messen - was mir ziemlich wahrscheinlich erscheint -, was machst du dann?«
»Was sollte ich deiner Meinung nach tun?« knurrte Royce ärgerlich und gleichzeitig mutlos. »Soll ich etwa meinen eigenen Schwiegervater töten? Und seine Tochter einladen, mir dabei zuzusehen? Oder soll ich sie in ihr Zimmer schicken, bis wir sein Blut vom Boden gewischt haben, auf dem später einmal ihre Kinder herumkriechen und spielen werden?«
Stefan wußte auch keinen Rat mehr und wurde wütend. »Was hast du dann vor?«
»Schlafen«, entgegnete Royce, indem er absichtlich die Frage falsch deutete. »Ich schaue kurz nach dem Haushofmeister und verschaffe mir Einblick in die wichtigsten Angelegenheiten, dann lege ich mich ein paar Stunden aufs Ohr und ruhe mich aus.«
Eine Stunde später, nach dem Gespräch mit dem Haushofmeister, wies Royce einen Diener an, ihm ein Bad vorzubereiten und saubere Kleidung zurechtzulegen. Mit bösen Vorahnungen streckte er sich auf dem riesigen Himmelbett in seinem Zimmer aus und verschränkte die Hände hinterm Kopf. Sein Blick streifte träge über den dunkelblauen, mit Gold durchwirkten Baldachin und die großzügigen Seidendraperien, die zurückgezogen und mit goldenen Kordeln festgehalten waren. Dann starrte er die Wand an. Jennifer befand sich auf der anderen Seite der Wand, das wußte er von einem Diener, der ihm auch erzählt hatte, daß Jennifer erst vor ein paar Minuten ihr Zimmer betreten und gebeten hatte, in drei Stunden geweckt zu werden. Sie wollte dann auch ein heißes Bad nehmen und hatte eine der Dienerinnen aufgefordert, ihr irgendein Gewand zu bringen, das sie am Abend auf dem Fest tragen konnte.
Erinnerungen, wie sie im Schlaf aussah, an ihr Haar, das über das Kissen floß, und ihre seidenweiche Haut unter den Laken quälten ihn und weckten schmerzhaftes Verlangen. Royce schloß die Augen. Es war klüger, zu warten und die widerspenstige Braut erst nach dem Fest in sein Bett zu holen. Er würde seine ganze Überredungskunst anwenden müssen, sie dazu zu bringen, diesen Teil ihrer Ehegelübde zu erfüllen, daran hatte Royce keinen Zweifel. Und im Moment war er nicht in der Verfassung, sie von etwas zu überzeugen, sich eingehend mit ihr zu beschäftigen.
Heute abend, wenn sie durch Wein und Musik ein wenig milder gestimmt war, würde er sie in dieses Zimmer und in sein Bett bringen. Ob sie freiwillig mitkam oder nicht, er würde heute nacht mit ihr schlafen - und in jeder weiteren Nacht, in der ihn die Lust überkam. Auch wenn sie sich dagegen sperrte, würde sie sich ihm nicht verweigern, weil er das nicht zulassen würde -so einfach war das alles.
Das letzte Bild, das ihm vor Augen stand, bevor er in tiefen Schlaf fiel, war seine unerhört schöne Braut, die ihm zehn Finger vor die Nase hielt und ihm mit kesser Überlegenheit erklärte: »Vierzig, das sind so viele und noch einmal ...«
Kapitel neunzehn
Jenny kletterte aus der Holzwanne, wickelte sich in den weichen, hellblauen Morgenrock, den eines der Mädchen ihr aushändigte, und zog die Vorhänge auf, die die Badenische vom Zimmer abteilten. Der elegante, aber voluminöse Morgenrock hatte offensichtlich jemandem gehört, der sehr viel größer war als sie. Die Ärmel hingen ihr weit über die Fingerspitzen, und der Saum schleifte ein großes Stück auf dem Boden. Aber er war sauber und warm. Nach mehreren Tagen in dem schmutzigen, durchweichten Samtkleid war dieser Morgenrock für Jenny der reinste Himmel. Ein gemütliches Feuer brannte im Kamin und vertrieb die Kälte. Jenny machte es sich auf dem Bett bequem, um ihr Haar trocknen zu lassen.
Die Zofe stellte sich mit einer Bürste hinter sie und begann wortlos, die Knoten aus der langen Pracht zu kämmen, während eine andere Dienerin mit einem Arm voll schimmerndem Goldbrokat hereinkam. Jenny vermutete, daß dies ihr Kleid für das Fest war. Keines der beiden Mädchen war besonders eilfertig oder zuvorkommend, aber sie wirkten auch nicht
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