Im Koenigreich der Traeume
Ahnung, daß ich die Reaktion darauf noch miterleben würde, da meine Schwester Brenna und ich den Plan hatten, ganz früh am nächsten Morgen zu fliehen.«
»Ihr hättet die Decken, die die Männer brauchten, um sich in den kalten Nächten zu wärmen, nicht kaputtmachen dürfen, aber das ist Euch inzwischen sicherlich selbst schon klargeworden. Aber jetzt sollte ich, mit Eurer Erlaubnis, auf Eure eigentliche Frage über das >seltsame< Verhalten der Dorfbewohner und der Bediensteten ihrem neuen Herrn gegenüber zurückkommen.«
»Ja, bitte. Oder bilde ich mir das alles vielleicht nur ein?«
Bruder Gregory stand unvermittelt auf, schlenderte zu dem Tisch mit den Kerzen, der unter einem kunstvoll geschnitzten Kruzifix stand, und richtete eine der Kerzen gerade, die schief im Ständer stand. »Nein, Ihr bildet Euch das nicht ein. Ich bin erst einen Tag hier, aber die Menschen in diesem Ort mußten sehr lange - fast ein ganzes Jahr - ohne Priester auskommen und sind deshalb erpicht darauf, sich mir anzuvertrauen.« Er drehte sich stirnrunzelnd zu Jenny um. »Wißt Ihr, daß Euer Gemahl die Burg und das Dorf vor acht Jahren angegriffen und belagert hat?«
Als Jenny nickte, atmete er erleichtert auf. »Nun, habt Ihr schon einmal erlebt, was bei einer solchen Belagerung geschieht?«
»Nein.«
»Es ist kein schönes Erlebnis, dessen könnt Ihr gewiß ein. Es gibt ein Sprichwort, das lautet: >Wenn zwei Adlige in Fehde liegen, steht das Dach des armen Mannes in Flammen<, und das trifft tatsächlich zu. Nicht nur die angegriffene Festung und ihr Besitzer leiden unter der Belagerung, sondern auch und besonders die Dorfbewohner und die Dienerschaft. Das Getreide wird von Verteidigern und Angreifern gleichermaßen aus den Scheunen der Bauern gestohlen, die Kinder werden im Schlachtgetümmel getötet und die Hütten der Bevölkerung in Schutt und Asche gelegt. Es ist nicht ungewöhnlich, daß eine angreifende Armee die umliegenden Felder und Weiden in Brand steckt, um möglichst viel Verwüstung anzurichten, und auch Tagelöhner und Handwerker werden getötet, damit sie von den Verteidigern nicht zur Verstärkung der Streitkräfte rekrutiert werden können.«
Obwohl all das im Grunde nichts Neues für Jenny war, hatte Jenny noch niemals eine Burg während einer Belagerung oder kurz danach gesehen. Trotzdem stand ihr jetzt, während sie in der friedlichen kleinen Kapelle in der Burg saß, die Royce einst belagert hatte, das Bild mit aller Deutlichkeit vor Augen.
»Es besteht kein Zweifel, daß auch Euer Gemahl einige dieser Verwüstungen angerichtet hat, als er Claymore belagerte. Obwohl ich selbst annehme, daß er keine persönlichen Gründe für diesen Angriff hatte und nur im Sinne der Krone handelte, kann man es den Dorfbewohnern nicht übelnehmen, daß sie sich keinen Deut um die Motive der hohen adligen Herrn kümmern, wenn sie unter einer Schlacht zu leiden haben, bei der sie nichts zu gewinnen, aber alles zu verlieren haben.«
Jenny dachte an die Clans in den Highlands, die kämpften und kämpften, ohne sich über Verluste zu beklagen, und schüttelte verwirrt den Kopf. »Hier ist alles anders.«
»Anders als die Mitglieder Eurer Clans, speziell die der Highländer, verteilen die Engländer ihre Kriegsbeute nicht unter die Leute«, erklärte Bruder Gregory. »Nach englischem Gesetz gehört das ganze Land dem König. Der König verschenkt Teile der Ländereien an die Adligen, die in seiner Gunst stehen, als Lohn für ihre Loyalität oder besondere Verdienste. Die hohen Herren suchen sich dann die Felder und Wiesen aus, die sie für sich selbst haben wollen, und geben den Bauern die Erlaubnis, ein Stück des Landes zu bebauen. Als Gegenleistung müssen die Bauern zwei oder drei Tage in der Woche auf den Feldern ihres Lehnsherrn arbeiten oder gewisse Dienste in der Burg verrichten. Selbstverständlich wird auch von ihnen erwartet, daß sie von Zeit zu Zeit einen Scheffel Getreide oder andere Produkte in der Festung abliefern.
In Kriegszeiten oder bei Hungersnöten ist der Lord moralisch - aber nicht gesetzlich - verpflichtet, die Interessen seiner Dienerschaft und Pächter zu schützen. Manchmal kommt er dieser Pflicht auch nach, doch gewöhnlich bemüht er sich nur, wenn er selbst einen Vorteil davon hat.«
Nachdem Bruder Gregory geendet hatte, meinte Jenny nachdenklich: »Ihr meint, sie haben Angst, daß Royce sie nicht beschützt? Oder hassen sie ihn, weil er Claymore belagert und ihre Felder und Wiesen in Brand
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