Im Koenigreich der Traeume
zusammenstand.
»Unsere Lady«, sprudelte einer der beiden entsetzt hervor, »will morgen auf der Seite der Schotten sitzen! Sie stellt sich öffentlich gegen uns!«
»Du lügst!« polterte einer der Knechte los, dem Lady Jennifer erst gestern die verbrannte Hand sorgsam verarztet und verbunden hatte. »Das würde sie niemals tun. Sie ist eine von uns.«
»Mylord«, sagte Jenny, als sie vor Royce stand. Er wandte sich ihr sofort zu und unterbrach Lord Melbrook mitten im Satz. »Du hast gesagt ...« begann Jenny und stockte, da ihr Katherines Worte über Royces Blick nicht aus dem Sinn gingen. Katherine scheint tatsächlich recht zu haben, dachte Jenny verwirrt, da ist etwas in seinen Augen, wenn er mich ansieht...
»Was habe ich gesagt?« erkundigte sich Royce mit erzwungener Gelassenheit.
»Du meintest, daß sich am Abend vor einem Turnier alle früh zurückziehen und schlafen legen«, fuhr Jenny fort, nachdem sie die Fassung wiedererlangt und ihr Gesicht den unbeteiligt freundlichen Ausdruck angenommen hatte, der ihr seit Williams tragischem Tod zur Gewohnheit geworden war. »Wenn das tatsächlich der Fall sein sollte, wäre es dann nicht klüger, den Vasallen gleich jetzt den Eid abzunehmen, ehe es zu spät wird?«
»Fühlst du dich nicht wohl?« fragte er und musterte sie aus zusammengekniffenen Augen.
»Es geht mir gut«, log Jenny unsicher. »Ich bin nur ein wenig müde.«
Royces Vasallen hatten sich bereits in der großen Halle versammelt, um vor ihrem Herrn den Treueeid abzulegen. Eine knappe Stunde standen Jenny, Katherine, Brenna, Stefan und einige andere in der Halle und beobachteten, wie ein Vasall nach dem anderen vor Royce trat und sich auf die Knie niederließ. Nach altem Brauch legten sie die rechte Hand in die ihres Herrn und beugten demütig den Kopf, während sie den Schwur aussprachen.
Es war eine Huldigung, und oft ließen sich stolze Aristokraten in der erhabenen Pose mit einem ergebenen Untertan von Künstlern porträtieren. Jenny, die diese Prozedur in Merrick schon erlebt hatte, fand diesen Brauch ziemlich demütigend für die Vasallen. Und offenbar war Katherine Melbrook derselben Meinung, denn sie bemerkte leise: »Es muß entsetzlich erniedrigend für die Männer sein, sich so verhalten zu müssen.«
»Das ist der Sinn dieser Sitte - Unterwerfung«, schaltete sich Lord Melbrook ein, der den Widerwillen seiner Gemahlin offensichtlich nicht teilte. »Ich habe vor König Heinrich auch einen Kniefall mit Verbeugung gemacht - du siehst also, es ist keineswegs so entwürdigend, wie du meinst... Obwohl«, fügte er nach kurzem Nachdenken hinzu, »man sich als Adliger, der das Knie vor einem König beugt, vermutlich anders fühlt als ein Mann aus dem gemeinen Volk.«
Sobald der letzte Vasall seinen Eid geleistet hatte, entschuldigte sich Jenny und huschte in ihr Zimmer.
Agnes hatte ihr gerade in das weiße, mit pinkfarbenen Röschen bestickte Batistnachthemd geholfen und das grüne Samtkleid weggeräumt, als Royce an die Tür klopfte und hereinkam.
»Ich gehe hinunter zu Lady Elinor und frage nach, ob sie noch etwas braucht«, sagte Agnes, machte hastig einen Knicks vor Royce und ging.
Jenny wurde sich mit einemmal bewußt, daß ihr Nachthemd ziemlich durchsichtig war. Sie griff nach ihrem silbernen Morgenrock aus Samt und zog ihn schnell über. Statt sich über ihre Sittsamkeit lustig zu machen oder sie deswegen zu necken, wie Royce es getan hätte, als sie noch glücklich miteinander waren, blieb sein Gesicht vollkommen ausdruckslos.
»Ich möchte ein paar Dinge mit dir besprechen«, eröffnete er ihr sachlich, während sie den Gürtel ihres Morgenrocks zuknotete. »Zunächst einmal über die Banner, die du an die Dorfbewohner verteilt hast...«
»Wenn du dich darüber ärgerst, kann ich es dir nicht übelnehmen«, sagte Jenny offen. »Ich hätte zuerst mit dir oder Sir Albert darüber reden müssen, besonders weil ich sie in deinem Namen ausgegeben habe. Aber du hattest gerade mit etwas anderem zu tun und warst nicht da, und ich ... ich mag Sir Albert nicht.«
»Ich ärgere mich keineswegs darüber, Jennifer - ganz im Gegenteil«, erwiderte er höflich. »Und nach dem Turnier werde ich einem anderen Mann Prishams Posten übergeben. Genaugenommen bin ich hergekommen, um mich bei dir zu bedanken, daß du so umsichtig warst und den Leuten so geschickt aus ihren Schwierigkeiten geholfen hast. Und am dankbarsten bin ich dir dafür, daß du vor den Dienstboten nicht zeigst, welchen
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