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Im Koenigreich der Traeume

Titel: Im Koenigreich der Traeume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith McNaught
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Blick, und ihre Miene wirkte demütig und bescheiden. Seltsam, aber er empfand beinahe Enttäuschung darüber, daß ihr Widerspruchsgeist so schnell verloschen war. »Nadeln?« wiederholte er und runzelte die Stirn.
    »Ja«, erwiderte Jenny mit sorgsam gedämpfter Stimme - sie durfte weder herausfordernd noch zu unterwürfig erscheinen, sondern mußte einen höflichen und ruhigen Eindruck machen, als hätte sie sich in ihr Schicksal gefügt. »Die Tage sind sehr lang, und wir haben kaum etwas zu tun. Meine Schwester Brenna hat vorgeschlagen, daß wir ein wenig nähen könnten.«
    »Nähen?« hakte Royce nach. Plötzlich ärgerte er sich über sich selbst, weil er seine Gefangenen gefesselt und unter schwerer Bewachung hielt. Lionel hatte recht - Jenny war nur eine schwache Frau. Ein junges, leichtsinniges, dickköpfiges Mädchen mit mehr Schneid als Verstand. Er hatte sie einfach überschätzt, weil es bis jetzt noch kein Gefangener gewagt hatte, sich gegen ihn mit Tritten und Schlägen zur Wehr zu setzen. »Wofür haltet Ihr das hier - für den Salon der Königin?« knurrte er. »Wir haben keine ...« Er hielt inne, als müßte er nach der richtigen Bezeichnung für die Gerätschaften suchen, mit denen sich die Damen bei Hof die Zeit vertrieben.
    »Stickrahmen?« half Jenny nach.
    Er musterte sie geringschätzig. »Ich fürchte, wir können nicht damit aufwarten.«
    »Vielleicht mit einem kleinen Webstuhl?« erkundigte sie sich unschuldig und hatte die größte Mühe, sich das Lachen zu verbeißen.
    »Nein!«
    »Aber irgend etwas, was wir als Nadeln benutzen können, und Garn oder Fäden, muß sich doch auftreiben lassen«, setzte Jenny rasch hinzu, als er sich zum Gehen umdrehte. »Wir werden sonst noch wahnsinnig, wenn wir Tag um Tag tatenlos in diesem Zelt herumsitzen. Was wir machen, ist ganz unwichtig -Ihr habt doch gewiß Dinge, die man zum Nähen oder Handarbeiten benutzen kann.«
    Er schwang herum, und sein Blick drückte Freude und Zweifel zugleich aus. »Ihr bietet Euch an, unsere Kleider zu flicken?«
    Brenna war sichtlich schockiert über diesen Vorschlag, und Jenny bemühte sich, ebenso erschrocken und entrüstet wie sie zu reagieren. »Ich dachte eigentlich nicht an flicken oder stopfen ...«
    »Meine Männer haben genug zerrissene Kleider, um hundert Näherinnen ein ganzes Jahr lang zu beschäftigen«, entgegnete Royce entschieden und beschloß in diesem Moment, daß sich die beiden Frauen Unterkunft und Verpflegung selbst verdienen sollten. Flickarbeiten waren so gut wie jede andere Bezahlung. Er wandte sich an Godfrey und sagte: »Kümmere dich darum.«
    Brenna wirkte schwer getroffen, weil ihr Wunsch offenbar so weit geführt hatte, daß sie sich mit dem Feind in gewisser Weise verbünden mußten; Jenny strengte sich an, sich empört und widerstrebend zu geben, aber sobald die vier Männer außer Hörweite waren, schlang sie die Arme um ihre Schwester und drückte sie fest an sich. »Wir haben gerade zwei von drei Hindernissen überwunden«, triumphierte sie. »Man wird uns die Fesseln abnehmen, und wir bekommen Sachen, mit denen wir uns verkleiden können, Brenna.«
    »Verkleiden?« fragte Brenna verständnislos, aber noch ehe Jenny antworten konnte, wurden ihre Augen groß, und als sie begeistert die Umarmung erwiderte, lachte sie leise. »Männerkleider, und er selbst hat sie uns angeboten.«
    Schon nach einer Stunde türmten sich in ihrem Zelt zwei kleine Berge von zerrissenen Decken, Jacken und Hosen, die ihnen die Krieger gebracht hatten. Ein dritter Kleiderhaufen enthielt nur Sachen von Royce und Stefan Westmoreland und den vertrauten Rittern des Wolfs. Zu Jennys grenzenloser Erleichterung waren zwei dieser hochgestellten Herren viel kleiner als ihre Kampfgenossen.
    Jenny und Brenna arbeiteten bis spät in die Nacht und strengten ihre Augen in dem flackernden Licht der Kerzen an. Die Kleider, die sie selbst bei ihrer Flucht anziehen wollten, hatten sie bereits gestopft und versteckt. Im Augenblick machten sie sich emsig an Royce Westmorelands zerlumpter Garderobe zu schaffen.
    »Was meinst du, wie spät es ist?« fragte Jenny, als sie sorgfältig die Ärmel eines Hemdes komplett zunähte. Neben ihr lagen Schon eine Menge Sachen, an denen sie ähnlich schöpferisch tätig gewesen war, unter anderem einige Hosen, die am Knie so fest zugenäht waren, daß sie niemand mehr anziehen konnte.
    »Vielleicht zehn Uhr«, schätzte Brenna, bevor sie einen Faden abbiß. »Du hattest recht -« sie

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