Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Im Koenigreich der Traeume

Titel: Im Koenigreich der Traeume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith McNaught
Vom Netzwerk:
noch nie ein höfliches Wort mit ihm gewechselt habe. Sie erschrak, als sein finsterer Blick über ihr weites Gewand wanderte, das jetzt durch die Männerkleider etwas mehr ausgepolstert war als sonst.
    »Ihr habt sehr wenig geschlafen«, erwiderte er schließlich und spielte damit offensichtlich auf ihre abendliche Beschäftigung mit der Nähnadel an.
    Das Geräusch ihrer Schritte wurde durch das weiche, feuchte Gras gedämpft, während Jenny zu seiner Linken ging und Brenna auf der anderen Seite neben ihr unsicher vorwärts stolperte.
    Jenny täuschte ein Gähnen vor und sah ihn verstohlen aus den Augenwinkeln an. »Meine Schwester fühlt sich heute morgen nicht sehr wohl, weil wir gestern abend noch so lange wach waren. Es wäre sehr nett, wenn Ihr uns ein paar zusätzliche Minuten gönnen würdet, damit wir uns am Fluß erfrischen können.«
    Er wandte ihr sein zerfurchtes, sonnengebräuntes Gesicht zu, beäugte sie argwöhnisch und unsicher, nickte dann aber doch.
    »Fünfzehn Minuten«, sagte er, und Jennys Herz machte einen freudigen Satz. »Aber«, setzte er hinzu, »ich muß ständig einen Eurer Köpfe sehen können.«
    Er bezog am Waldrand Posten und drehte ihnen sein Profil zu. Jenny wußte, daß er sie aufmerksam im Auge behielt, auch wenn er sich nur auf ihre Köpfe konzentrierte. Bis jetzt hatte sich noch keiner der Männer, die sie bewachten, begehrliche Blicke gestattet, wenn sie ein paar Kleidungsstücke abgelegt oder sich gewaschen hatten, und gerade heute war Jenny sehr dankbar für ihre Zurückhaltung.
    »Bleib ganz ruhig«, beschwor Jenny ihre Schwester, als sie sie auf direktem Weg zum Fluß führte. Sie gingen ein Stück am Ufer entlang und zogen sich so weit in die Büsche zurück, wie sie es wagen konnten, ohne Sir Godfrey dazu zu zwingen, durchs Unterholz zu brechen und sie zu verfolgen. Unter einem Ast, der tief über einem dichten Busch hing, blieben sie stehen.
    »Das Wasser sieht kalt aus, Brenna«, rief Jenny so laut, daß der Wachmann sie hören konnte und hoffentlich nicht auf die Idee kam, sie allzu aufmerksam zu beobachten. Jenny stand unter dem Ast, nahm vorsichtig ihre Haube und den Schleier ab und bedeutete Brenna, es ihr gleichzutun. Als sie beide ihre Schleier in den Händen hielten, duckte sich Jenny lautlos und hielt ihre Haube in die Höhe, als würde sie den Kopf noch hochhalten, dann hängte sie die Haube in den Ast. Zufrieden betrachtete sie ihr Werk, bückte sich wieder und schlich zu Brenna, nahm ihr die Kopfbedeckung aus den zitternden Händen und drapierte sie, so gut es ging, auf dem Busch.
    Zwei Minuten später hatten beide Mädchen ihre Gewänder abgestreift. Sie stopften sie ganz tief unter den Busch und häuften Laub und kleine Zweige darüber, um den grauen Stoff vor den Blicken zu verbergen. Jenny folgte einer plötzlichen Eingebung und kramte aus dem Stoff- und Laubhaufen ihr Taschentuch heraus. Dann drückte sie den Zeigefinger an ihre Lippen, zwinkerte Brenna verschwörerisch zu und huschte tief gebückt etwa fünfzehn Meter stromabwärts - obwohl sie eigentlich genau in die entgegengesetzte Richtung gehen wollten. Sie hielt gerade lange genug inne, um das Taschentuch so an einem dornigen Zweig zu befestigen, daß es aussah, als hätte sie es versehentlich bei der hastigen Flucht verloren. Nach vollbrachter Tat wirbelte sie herum und lief zu Brenna zurück.
    »Das führt sie in die Irre und verschafft uns ein bißchen mehr Vorsprung«, erklärte sie.
    Brenna nickte zweifelnd und hoffnungsvoll zugleich. Einen Moment lang sahen sich die beiden Mädchen an und überprüften ihre Aufmachung. Brenna zog Jenny die Kappe tiefer über die Ohren und steckte eine rotgoldene Strähne unter den Rand, dann nickte sie wieder.
    Mit einem anerkennenden und ermutigenden Lächeln ergriff Jenny die Hand ihrer Schwester und führte sie rasch in den Wald. Als sie sich am Rand des Lagers nach Norden bewegten, betete sie, daß Sir Godfrey ihnen wirklich die ganzen fünfzehn Minuten - wenn nicht sogar ein bißchen mehr - Zeit ließ, die er ihnen zugestanden hatte.
    Kurze Zeit später waren sie hinter der Koppel angelangt und sahen die Pferde, die an Pflöcken festgebunden waren. Beide kauerten sich hinter das Gestrüpp und gönnten sich einen Moment, um wieder zu Atem zu kommen.
    »Bleib hier und rühr dich nicht vom Fleck«, ordnete Jenny an, während sie nach dem Mann Ausschau hielt, der die Schlachtrösser bewachen sollte. Im nächsten Augenblick sah sie ihn - er lag auf der

Weitere Kostenlose Bücher