Im Koenigreich der Traeume
geneckt und mit ihr gelacht hatte, so etwas fertigbringen würde.
Aber irgendwie kamen ihr die Ereignisse der letzten Nacht auch unwirklich vor. Noch vor vierundzwanzig Stunden war Royce Westmoreland ein zärtlicher, überzeugender und drängender Liebhaber gewesen, heute war er ein Fremder, der vollkommen vergessen zu haben schien, daß sie überhaupt existierte.
Royce hatte keineswegs vergessen, daß sie existierte - nicht eine Sekunde während des bisherigen Rittes. Erinnerungen daran, wie sie in seinen Armen gelegen hatte, an ihre süßen Küsse und behutsamen Liebkosungen hatten ihn zwei aufeinander folgende Nächte um den Schlaf gebracht. Den ganzen Tag, als er an seinen Männern vorbeigeritten war, hatte er nach ihr Ausschau gehalten.
Selbst jetzt, als er an der Spitze seiner Armee ritt, in die Sonne blinzelte und versuchte, die Uhrzeit abzuschätzen, hallte ihr liebes Lachen wie Glockenklang in seinen Ohren. Er schüttelte den Kopf, als müßte er seine Gedanken klären, und plötzlich sah sie ihn mit dem für sie typischen unbekümmerten Lächeln an ...
Was glaubt Ihr, weshalb ich mir keine Frau genommen habe? sagte er.
Weil Euch keine passende Lady um eine Heirat gebeten hat? neckte sie ihn.
Er hörte ihr ersticktes Kichern, während sie versuchte, ihn zu rügen: Versucht unter keinen Umständen einer Lady mit unwahren, zungenfertigen Schmeicheleien den Kopf zu verdrehen, Mylord, damit werdet Ihr keinen Erfolg haben, solange Ihr ihr noch keinen Antrag gemacht habt...
So wie ich Euch kennengelernt habe, kann ich nur vermuten, daß Ihr die Dame übers Knie legt und sie so lange durchprügelt, bis sie sich Euren Wünschen fügt...
Er konnte nicht fassen, daß ein naives schottisches Mädchen so viel Geist und Courage besaß. Royce versuchte sich einzureden, daß diese wachsende Faszination, diese Besessenheit seiner Gefangenen gegenüber lediglich das Ergebnis der Lust war, die sie an dem bewußten Abend in ihm geschürt hatte aber er wußte genau, daß ihn mehr als nur das bezauberte: Ganz anders als die meisten ihrer Geschlechtsgenossinnen war Jennifer Merrick weder abgestoßen noch begeistert von der Idee gewesen, mit einem Mann zu schlafen, dessen Name gleichbedeutend war mit Gefahr und Tod. Die schüchterne und dennoch leidenschaftliche Reaktion, die er ihr entlockt hatte, war nicht von Furcht bestimmt gewesen, sondern erst von Zärtlichkeit und dann von Verlangen. Sie kannte offensichtlich alle Schauergeschichten, die man sich über ihn erzählte, und trotzdem hatte sie sich in aller Unschuld seinen Liebkosungen hingegeben. Deshalb konnte er sich den Gedanken an sie nicht aus dem Kopf schlagen. Vielleicht, überlegte er grimmig, hat sie sich auch nur vorgemacht, er sei der männliche, makellose, galante Ritter ihrer Träume. Diese Möglichkeit - nämlich, daß ihre Leidenschaft das Ergebnis einer kindischen Selbsttäuschung entsprungen sein könnte - war Royce so zuwider, daß er den Gedanken sofort verdrängte und sich ganz fest vornahm, Jenny ein für allemal zu vergessen.
Zu Mittag ließen sich die beiden Schwestern ins Gras sinken, um die übliche Ration von zähem Geflügelfleisch und ihr Stück hartes Brot zu essen. Als Jenny aufschaute, sah sie, daß Arik auf sie zumarschierte. Er blieb direkt vor ihr stehen und sagte: »Kommt!«
Jenny hatte sich bereits daran gewöhnt, daß der blonde Hüne nicht mehr Worte von sich gab als unbedingt nötig, und stand auf.
Brenna wollte es ihr gleichtun, aber Arik hielt die Hand abwehrend hoch. »Ihr nicht.«
Er nahm Jenny am Arm und führte sie im Eilschritt an den Hunderten von Männern vorbei, die auch im Gras saßen und ihr spärliches Mahl zu sich nahmen. Dann zog er sie weiter zu dem Wäldchen neben der Straße und blieb unter den Bäumen bei Royces Rittern, die offenbar hier Wache hielten, stehen. Sir Godfrey und Sir Eustace traten beiseite. Ihre normalerweise freundlichen Gesichter wirkten versteinert, als Arik Jenny weiterschubste, bis sie auf eine kleine Lichtung stolperte.
Der Wolf saß auf dem Boden - seine breiten Schultern lehnten an einem Baumstamm, die Knie hatte er angezogen - und musterte Jenny schweigend. Es war so warm geworden, daß er seinen Umhang abgestreift hatte und nur noch ein braunes Hemd mit langen Ärmeln, eine dicke braune Hose und seine Stiefel trug. Er sah nicht mehr annähernd so aus wie der Bote des Todes und der Zerstörung, den er vorher noch verkörpert hatte, und Jennys Herz machte einen absurden Freudensprung,
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