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Im Koma

Titel: Im Koma Kostenlos Bücher Online Lesen
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mitgekriegt, wie eine besonders kühne junge Frau ihm einen Zettel in die Hand gedrückt hatte, als er auf dem Weg zur Toilette an ihr vorbeiging. Casey hatte den Atem angehalten und an ihren Vater und all die Papierschnipsel mit unbekannten Telefonnummern denken müssen, die sie regelmäßig zu Hause gefunden hatte. Aber dann hatte sie beobachtet, wie Warren den Zettel in den nächsten Papierkorb geworfen hatte, ohne ihn eines Blickes zu würdigen. Nein, Warren Marshall war nicht wie Ronald Lerner. Er war kein bisschen wie ihr Vater.
    Und das bedeutete, dass Frauen wie Patsy bedeutungslos waren, weil sie nicht die geringste Bedrohung darstellten.
    »Sollen wir den Fernseher anmachen, ja?«, fragte Warren und schaltete den Apparat ein.
    Sofort erfüllten fremde Stimmen den Raum.
    »Du hast mich nie geliebt«, sagte eine Frau. »Du hast mich von Anfang an belogen.«
    »Nun, vielleicht nicht von Anfang an«, erwiderte ein Mann mit einem Lachen.
    »Wie geht es dir, Schatz?«, fragte Warren, der an ihre Seite zurückgekehrt war. Sie fragte sich, ob er ihre Hand tätschelte oder vielleicht ihr Haar küsste. Sie erinnerte sich an die Sanftheit seiner Berührung und fragte sich, ob sie sie je wieder spüren würde. »Die Krankenschwester hat gesagt, du würdest dich wohler fühlen, seit sie den Schlauch gelegt haben.«
    Das sind keine Krankenschwestern. Es sind Pflegerinnen. Und nimm dich in Acht vor dieser Patsy.
    »Sie macht einen sehr netten Eindruck«, erklärte er seufzend.
    Er klang erschöpft, dachte Casey, als ob ihm jemand das Herz herausgerissen hätte. So ganz anders als an jenem Tag, als er zum ersten Mal in das kleine Büro von Lerner & Pegabo in der Innenstadt spaziert war, schlank und braun gebrannt in einem dunkelgrauen Anzug, einem blassrosefarbenen Hemd und einer dunkelroten Seidenkrawatte, Dynamik und Selbstvertrauen verströmend. »Ich habe um elf Uhr einen Termin bei Janine Pegabo«, hatte er erklärt, als er den Kopf in ihr Zimmer gesteckt hatte.
    »Sie sind Warren Marshall?«, fragte Casey und versuchte, ihr Herzklopfen und den Kloß im Hals zu ignorieren. »Es tut mir leid, aber Janine musste ganz plötzlich weg. Sie hat sich ausgerechnet an einem Bagel einen Zahn abgebrochen, und ihr Zahnarzt konnte sie nur heute Vormittag einschieben...« Warum plapperte sie unaufgefordert los? »Ich bin Casey Lerner, ihre Partnerin. Sie hat mich gebeten, für sie einzuspringen. Ich hoffe, das ist okay.«
    »Mehr als okay«, sagte Warren und machte es sich auf dem roten Samtstuhl vor ihrem Schreibtisch bequem. »Interessantes Büro«, meinte er und musterte aus wachen braunen Augen den Leopardenfell-gemusterten Teppich, den dunklen Walnussschreibtisch, die braungrauen Wände mit den Schwarzweißfotografien von Obst und Blumensträußen. »Es ist... eigenwillig.«
    »Eigenwillig?«
    »Das meine ich als Kompliment. Eigenwillig mochte ich schon immer. Wen haben Sie verpflichtet?«
    »Verzeihung?«
    »Für die Einrichtung«, erklärte er lächelnd.
    »Oh, das war kein Innendekorateur, sondern bloß ich. Ich habe ehrlich gesagt das komplette Büro gestaltet, auch Janines Zimmer. Sie interessiert sich nicht besonders für so etwas, und es war immer eine Art Hobby von mir...« Sie plapperte schon wieder, merkte Casey und brach ab. »Wie kann ich Ihnen helfen, Mr. Marshall?«
    »Nun, wie ich Miss Pegabo bereits neulich am Telefon erklärt habe, bin ich seit fünf Jahren bei Miller & Sheridan und möchte mich gern verändern. Ich habe eine Kopie meines Lebenslaufes gefaxt...«
    »Ja, beeindruckend. Bachelor in Finanzwesen in Princeton, juristisches Examen an der Columbia University. Ich kann mir nicht vorstellen, dass wir große Probleme haben werden, eine neue Stellung für Sie zu finden. Darf ich Sie fragen, warum Sie Miller & Sheridan verlassen wollen?«
    »Ich suche nach einem Unternehmen mit mehr Vision und Mumm«, sagte er leichthin. »Miller & Sheridan ist eine gute, kompetente Kanzlei, aber sie ist auch ein wenig altmodisch, und ich habe es gern etwas...«
    »Eigenwilliger?«
    Er lächelte. »Ich möchte nicht die erforderlichen zehn Jahre warten, bis ich zum gleichberechtigten Partner ernannt werde.«
    »Ein Mann, der es eilig hat«, bemerkte Casey.
    »Ich sehe mich lieber als einen Mann, der weiß, was er wert ist.«
    Casey vertiefte sich erneut in seinen Lebenslauf, obwohl sie alle wichtigen Fakten bereits auswendig konnte: Warren Marshall hatte mit einem Stipendium in Princeton studiert und anschließend sein

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