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Im Koma

Titel: Im Koma Kostenlos Bücher Online Lesen
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praktisch jeden weisen, den ich kenne, und dann wieder gehen.
    Man hörte, wie ein weiterer Stuhl verschoben wurde.
    »Sie halten mich auf dem Laufenden?«, fragte Warren.
    »Darauf können Sie sich verlassen.«
    »Alles in Ordnung?«, fragte der Arzt, sobald der Detective gegangen war. »Das sollen Sie mir sagen«, entgegnete Warren.
    Casey spürte, wie der Arzt ans Bett trat, und stellte sich vor, wie er auf sie herabstarrte.
    »Nun, alles in allem macht sich Ihre Frau sehr gut. Sie hat die Tracheotomie glänzend überstanden. Der Trachealtubus sieht gut aus und sollte auch keine allzu große Narbe hinterlassen. Ihre Atmung liegt stabil bei vierzehn Atemzügen pro Minute.«
    »Und was genau heißt das?«
    »Das heißt, dass wir sie hoffentlich bald von dem Beatmungsgerät entwöhnen können.«
    »Ist das klug?«
    »Ich versichere Ihnen, dass wir nichts überstürzen werden.«
    »Und wenn Casey nicht mehr mit Hilfe des Beatmungsgeräts, sondern aus eigener Kraft atmet, was dann?«
    »Dann entfernen wir den Trachealtubus.«
    »Und danach?«
    »Ich weiß es nicht«, räumte der Arzt nach längerer Pause ein. »Hören Sie, ich wünschte, ich könnte Ihnen etwas Konkreteres sagen. Aber wir müssen einfach von Tag zu Tag weitersehen.«
    Von Tag zu Tag, dachte Casey, als alle gegangen waren. Von Tag zu Tag, wiederholte sie stumm, während die Geräusche des Tages zum Gewimmer der Nacht verblassten.
    Jemand hatte sie absichtlich überfahren, dachte Casey, als der Schlaf langsam um ihren Kopf zu kreisen begann wie ein Hubschrauber, der einen Landeplatz sucht. Jemand versucht, mich zu töten.
    Wer?
    »Wo waren Sie an dem fraglichen Abend?«, fragte plötzlich jemand. Detective Spinetti?
    »Ich war den ganzen Tag zu Hause«, antwortete ein anderer Mann. Wer war das? Ist da jemand? »War jemand bei Ihnen?« »Nein, ich war allein.«
    Das verstehe ich nicht. Wer sind Sie? Wovon reden Sie?
    Und dann begriff sie plötzlich. Es war niemand im Zimmer. Sie war allein, hatte sich das Ganze nur eingebildet.
    Die ganze Episode war nichts als eine Mischung aus Träumen und Wiederholungen im Fernsehen gewesen, eine kleine Räuberpistole, die ihr Verstand ausgebrütet hatte, damit sie nicht vor Langeweile verrückt wurde. Niemand hatte versucht, sie zu töten. Es gab keine Person namens Detective Spinetti. Ihr Gehirn war ordentlich durchgerüttelt worden! Das hatten die Ärzte doch gesagt. Oder war das auch nur ein Gespinst ihrer Fantasie gewesen? Woher sollte sie das wissen?
    Wie konnte sie irgendetwas mit Sicherheit wissen?
    Wach auf. Wach auf. Wach auf. Dieser Traum ist kein bisschen amüsant. Er ergibt schon lange keinen Sinn mehr.
    Ich bin nicht von einem Auto angefahren worden. Ich liege nicht mit gebrochenen Knochen im Koma in einem schmalen Krankenhausbett. Meine Atmung ist nicht von einer Maschine abhängig; in meiner Luftröhre steckt kein Schlauch. Ich habe nicht gehört, wie eine Pflegerin mir anvertraut hat, dass sie meinen Mann verführen will. Und ich habe ganz bestimmt nicht gehört, wie ein Detective der Polizei darüber spekuliert hat, dass mein Zustand Folge einer vorsätzlichen Straftat war; dass alle, die mir am Herzen liegen, meine Freunde und Bekannte, meine Schwester und sogar mein vergötterter Ehemann verdächtigt werden.
    Nein. Nein. Nein.
    Wach auf. Wach auf. Wach auf.
    Casey lag in ihrem Bett und starrte aus offenen Augen blind zur Decke. Der Himmel fiel ihr auf den Kopf, dachte sie, und die klassische Kindergeschichte von Himmel und Huhn kam ihr in den Sinn. Sie versuchte, sich an ihren Ausgang zu erinnern. War der Himmel tatsächlich auf die Erde gefallen oder ging es nur um ein aufgescheuchtes Huhn, das grundlos hysterisch mit den Flügeln schlug? Und was war mit diesem verrückten Huhn passiert, fragte Casey sich immer noch, als der Schlaf sie schließlich doch übermannte.

KAPITEL 6
    »Okay, also das Film-Festival dieses Jahr hast du verpasst«, sagte Janine und riss Casey zurück in den Wachzustand.
    Wie lange hatte sie geschlafen? Wann war Janine gekommen? Wovon redete sie?
    »Aber keine Sorge. Du hast dir einen guten Zeitpunkt ausgesucht, hirntot zu sein. Die Filme waren scheiße. Gestern Abend habe ich einen gesehen, der so schlecht war, dass du es kaum glauben würdest. Ich glaube, ohne Untertitel wäre man völlig aufgeschmissen gewesen. Aber bei einem französischen Streifen denken die Leute immer...«
    Casey versuchte, sich zu konzentrieren. Der bescheidene Versuch der Stadt, ein Film-Festival

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