Im Koma
Mutter?«, fragte Drew plötzlich. »Ich meine, ich weiß, ich bin nicht die tollste Mutter der Welt, aber bin ich schrecklich?« Sie machte eine Pause, als wolle sie Casey Gelegenheit zum Antworten geben. »Es ist nicht so, als ob ich sie nicht lieben würde. Ich liebe sie. Es ist bloß, dass sie immer da ist. Verstehst du, was ich meine? Jedes Mal wenn ich mich umdrehe, ist sie da. Und ich möchte zu ihr sagen, hör zu, du bist ein süßes Mädchen und alles, aber kann ich einfach mal ein paar Tage für mich haben? Aber wie kann ich das machen? Das geht nicht«, beantwortete Drew ihre eigene Frage. »Und sie sieht mich immer an, als erwarte sie, dass ich etwas mache. Aber ich weiß nie, was sie von mir will, deshalb habe ich jedes Mal das Gefühl, sie zu enttäuschen. Es ist furchtbar, wenn man denkt, dass man jemanden ständig enttäuscht. Obwohl ich mich vermutlich mittlerweile dran gewöhnt haben sollte.«
ODrew.
»Ich dachte wohl, es würde anders sein, weißt du? Ich dachte, wenn ich ein Kind bekäme, müsste es mich lieben.«
Lola liebt dich, Drew.
Ein Seufzer hing zitternd in der Luft. »Aber sie liebt dich. Vor deinem Unfall - und ich glaube, alle sind mehr oder weniger zu dem Schluss gekommen, dass es ein Unfall war - hat sie dauernd gefragt, wann wir wieder zu Tante Casey fahren. Und seit ich sie mit ins Krankenhaus genommen habe, nervt sie mich damit, wann sie dich noch mal besuchen darf. Sie hat lauter Bücher, die sie dir vorlesen will. Naja, ich weiß nicht genau, ob sie tatsächlich lesen kann oder die Geschichten nur auswendig gelernt hat. Janet hat ihr diese Märchen so oft vorgelesen, dass sie jedes Wort auswendig kennt. Janet ist ihr Kindermädchen. Elise musste ich feuern, nachdem ich sie dabei erwischt hatte, wie sie sich von meinem Grasvorrat bedient hat. Ehrlich, es ist so schwer, heutzutage noch gutes Personal zu finden.« Sie lachte. »Das war ein Witz.«
Von der Tür wehte der Duft von frisch gekochtem Kaffee ins Zimmer. Casey spürte, wie ihr das Wasser im Mund zusammenlief, und ihr war, als könne sie das satte Röstaroma der Bohnen auf der Zunge schmecken.
»Und apropos gutes Personal...«
Die nicht zueinander passenden Düfte von Kaffee und Lavendel erfüllten das Zimmer und rangen um die Oberhand wie zwei einander feindlich gesinnte siamesische Zwillinge.
»Hier ist Ihr Kaffee«, sagte Patsy.
»Vielen Dank.«
»Vorsicht. Er ist heiß.«
»Heiß und schwarz. Genau, wie ich ihn mag. Vielen Dank«, sagte Drew noch einmal.
»Hören Sie, das Missverständnis von eben tut mir wirklich leid. Ich kann schon verstehen, wenn Sie einen falschen Eindruck bekommen haben.«
»Schön, dass Sie das schon verstehen können, und damit sollten wir es dann auch gut sein lassen, abgemacht?«
Es klingelte.
»Wer ist das?«, fragte Drew.
»Wahrscheinlich ihr Physiotherapeut.«
»Heiß und schwarz«, sagte Drew mit einem Zwinkern in der Stimme. »Genau, wie ich es mag.«
KAPITEL 21
»Hallo, hallo«, sagte Jeremy, als er Caseys Schlafzimmer betrat. »Sie habe ich ja eine Weile nicht gesehen. Wie geht es Ihnen?«
»Gut«, antwortete Drew. »Schön, Sie wiederzusehen.« Casey hörte die bemühte Beiläufigkeit in der Stimme ihrer Schwester.
»Sie kommen ein bisschen spät«, bemerkte Patsy. »Alles in Ordnung?«
»Auf dem Expressway hat sich heute Morgen ein schlimmer Unfall ereignet, und die Unfallstelle wurde noch geräumt, sodass ich gut zwanzig Minuten im Stau stand. Tut mir leid.
Die gute Nachricht ist, jetzt bin ich hier, und dieser Kaffee riecht fantastisch. Meinen Sie, Sie hätten vielleicht noch eine Tasse übrig?«
Casey stellte sich vor, wie sich ein übertrieben beflissenes Lächeln über Patsys Gesicht breitete. »Wie trinken Sie Ihren Kaffee?«
»Mit Sahne und viel Zucker.«
»Weiß und süß«, sagte Drew leise, als Jeremy ans Bett trat, während Patsy seinen Kaffee holen ging.
Casey meinte, die Eindringlichkeit von Jeremys Blick zu spüren, als er sich über sie beugte, um sie eingehender zu betrachten. »Hallo, Casey. Wie geht es Ihnen heute? Froh, wieder zu Hause zu sein?«
Nein, ich bin nicht froh. Ich bin überhaupt nicht froh. Sie müssen mich hier rausholen.
»Offenbar hatte sie erhöhten Blutdruck«, erklärte Drew ihm. »Aber jetzt hat er sich wieder stabilisiert.«
»Ja, das war mehr oder weniger zu erwarten.«
»Das hat man mir auch erklärt.«
»Sie ist allerdings ein bisschen blass.«
»Das fand ich auch.«
»Nun, schauen wir, ob wir mit ein paar
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