Im Kreis des Wolfs
VERSCHWINDE!«
»Herrgott noch mal!«
Eingeschnappt ging er zurück zu seinem Wagen und hörte, wie sie grußlos die Tür zuschlug. Der Regen wurde wieder stärker. Buck steckte sich die halbgerauchte Zigarre wieder zwischen die Zähne; sie war nass und brannte nicht mehr. Wütend schleuderte er sie auf den Boden, stieg in den Wagen und knallte die Tür zu.
Er wendete, dass der Kies zur Seite spritzte, und jagte mit quietschenden Reifen durch das Tor. Um Eleanor nicht zubegegnen, fuhr er ans andere Ende der Straße und wartete dort mit ausgeschalteten Scheinwerfern, bis er ihren Wagen in Ruths Auffahrt einbiegen sah.
Buck schüttelte den Kopf. Herrgott, dachte er. Wie weit war es mit der Welt gekommen, wenn ein Mann nicht mal mehr mit seiner Geliebten ins Bett konnte, weil seine Frau bei ihr war? Finster stierte er in den Regen und fuhr dann mürrisch zurück nach Hause.
Als er ankam, war es im Haus still wie in einer Leichenhalle. Vermutlich schlief Luke schon. Seine Lust auf Sex hatte sich in Hunger verwandelt. Er ging an den Kühlschrank, da er dort Reste vom Abendessen zu finden hoffte. Fehlanzeige. Also machte er statt dessen ein Bier auf und nahm es mit ins Wohnzimmer, ohne das Licht einzuschalten. Schwer ließ er sich auf die Couch fallen und stellte mit der Fernbedienung den Fernseher an. Jay Leno witzelte mit einem unrasierten jungen Schauspieler, Sänger oder sonst wem herum, der aussah, als wäre er gerade aus dem Bett gefallen. Buck fand sie einfach unerträglich.
Kaum hatte er es sich bequem gemacht, da klingelte das Telefon. Er stellte den Ton vom Fernseher ab, beugte sich vor und nahm den Hörer auf.
»Spreche ich mit Calder?«
Es war eine Männerstimme, die er nicht kannte. Der Anruf klang, als käme er aus einer Bar.
»Buck Calder am Apparat. Wer sind Sie?«
»Wer ich bin, spielt keine Rolle. Dreckskerle wie Sie sollte man aufhängen.«
»Sie haben wohl nicht den Mumm, mir zu sagen, wer Sie sind?«
»Mumm genug, um Dreckskerle wie Sie zu beseitigen.«
»Sie waren heute Abend bei der Versammlung, stimmt’s?«
»Sie waren im verdammten Fernsehen, und ich hab gesehen,was Ihr durchgeknallter Kumpel mit dem Wolf angestellt hat. Wir wollten Ihnen nur sagen …«
»Ach, jetzt heißt es plötzlich
wir?«
»Wir werden Ihre Kühe abschlachten.«
»Ach, bloß meine Kühe?«
»Nein, auch Schweine. Schweine wie Sie.«
»Und ich schätze, all das machen Sie im Namen des Wolfs, des größten Killers, den es gibt?«
»Ganz recht. Sie sind gewarnt.«
Dann hörte er es klicken, und die Leitung war tot. Buck stand auf und legte den Hörer hin. Der Anrufbeantworter, der gleich neben dem Apparat stand, hatte vier Nachrichten gespeichert. Er drückte auf den Knopf, um sie abzuspielen.
»Die Wölfe haben also Ihre Kälber getötet, so, so?«, sagte eine Frauenstimme. »Sind Ihnen wohl zuvorgekommen, was? Wie unfair! Sie gehören zu einer aussterbenden Spezies, und je eher Sie sterben, desto besser.«
Buck hörte ein Geräusch, und als er aufblickte, sah er Luke oben auf der Treppe stehen. Er war noch angezogen.
»Hast du das gehört?«
Luke nickte.
»Und die anderen? Sind die auch so?«
»Ja.«
»O Gott.«
Er spulte zum nächsten Anruf weiter. Diesmal heulte eine Männerstimme wie ein Wolf.
»Hier spricht der Wolf. Eine Nachricht für Buck Calder. Du bist so gut wie tot, Arschloch.« Dann folgte wieder Wolfsgeheul.
Der nächste Anrufer klang wie der Mann, mit dem er gerade gesprochen hatte, während der letzte Anruf von einer Frau kam, die ihm eine Hasstirade entgegenschleuderte,von der er nicht mal die Hälfte verstand. Buck nahm kopfschüttelnd noch einen Schluck Bier.
»Hast du’s im Fernsehen gesehen?«
Luke nickte.
»Mach den Mund auf, Junge.«
»J-j-ja.«
»Haben sie gezeigt, wie Abe den Wolf hereingebracht hat?«
»Ja, d-d-die ganze … Sache.«
»Die lassen wirklich nichts anbrennen. Wurde auch gesagt, was mit ihm passiert ist?«
»Er sitzt in H-H-Helena im Gefängnis.«
»Dann klemm ich mich wohl besser ans Telefon. Er wird jemanden brauchen, der für ihn Kaution zahlt. Junge, was für ein Abend. Wer zum Teufel sind bloß alle diese Verrückten, die mich da anrufen?«
»Ich w-w-weiß nicht. Ich g-g-geh jetzt ins Bett.«
»Willst du noch ein Bier?«
»N-N-Nein, Sir.«
Buck seufzte. »Okay, Luke. Dann gute Nacht.«
»Gute Nacht.«
Es war schon traurig, wenn nicht mal der eigene Sohn ein Bier mit einem trinken wollte. Buck schaltete den Fernseher aus und griff nach dem
Weitere Kostenlose Bücher