Im Kreis des Wolfs
Telefonbuch. Dann warf er sich auf die Couch und suchte die Nummer des Gefängnisses in Helena heraus.
Vielleicht war der Abend doch nicht so toll gewesen. Abes Wolfsshow hatte auf den ersten Blick ziemlichen Eindruck gemacht, aber langsam begriff Buck, dass sie nicht sehr clever gewesen war. Der Kerl hätte sich an die alte Regel halten sollen: erschießen, vergraben und schweigen. Hatte er aber nicht, und jetzt stand ihnen ein regelrechter Krieg bevor.
Verdammt, Buck würde sich nicht von diesen Hasch rauchenden Tierfreaks Angst einjagen lassen, die ihn telefonisch bedrohten. Aber ins Grübeln kam er doch.
Vielleicht packte er diese Wolfsgeschichte nicht richtig an.
Anfangs hatte er geglaubt, es sei das Beste, die Sache an die große Glocke zu hängen. Deshalb die Idee mit der Versammlung. In Sachen Publicity war er einfach verflucht gut. Und er hatte gehofft, damit Dan Prior und seine Bande so weit zu bringen, dass sie aktiv würden.
Doch allmählich begriff er, dass die Sache mit Abe und dem Wolf auch nach hinten losgehen konnte. Jetzt würden sie sich erst recht auf die Hinterbeine stellen. Und falls Buck in Zukunft nach jedem Interview solch beleidigende Telefonanrufe bekam, musste er sich das Ganze vielleicht doch noch mal überlegen.
Statt den Krieg in aller Öffentlichkeit zu führen, sollte er sich lieber bedeckt halten, sich ein paar subtilere Strategien zurechtlegen und wie in einem richtigen Krieg an mehreren Fronten zugleich kämpfen.
Er beschloss, sich darüber Gedanken zu machen.
Der Pfad durch den Wald war hart gefroren, und an den steilen Stellen gerieten Moon Eyes Hufe gelegentlich ins Rutschen, so dass Luke ihn zügeln und einen besseren Weg durch das Felsgestein suchen musste. Der Regen hatte kurz nach Mitternacht aufgehört, und gleich darauf war der Himmel aufgerissen, um das Land in den ersten richtigen Herbstfrost einzuhüllen. Der Wetterumschwung kam plötzlich und ließ den Regen, der von den Bäumen tropfte, zu Millionen winziger Eiszapfen erstarren, die jetzt, als sie in der frühen Morgensonne zu schmelzen begannen, in allen Regenbogenfarben schillerten.
Luke ritt zum Bach hinauf und folgte ihm zum See, vorbei an den Untiefen, wo er Moon Eye stets zurückgelassen hatte, als er Helen noch nicht kannte. Knirschend hinterließen die Hufe im steifgefrorenen Gras ihre Abdrücke. Am Bachufer, dort, wo das Wasser langsamer floss und Strudel bildete, stiegen Dunstwolken auf.
Auf dem Weg hierher hatte Luke versucht, aus dem schlau zu werden, was sein Vater beim Frühstück gesagt hatte. Nach den bedrohlichen Anrufen und dem, was gestern Abend auf der Versammlung passiert war, hatte es sich fast unwirklich angehört, so dass Luke es zuerst für einen schlechten Scherz hielt.
»Ich habe über diese Wolfsgeschichte nachgedacht«, hatte sein Vater gesagt, den Mund voll mit Brot und Schinken. »Und ich glaube, wir sind mit diesen Typen von Fish & Wildlife ein bisschen zu hart umgesprungen. Was meinst du, Luke?«
Luke zuckte die Achseln. »W-W-Weiß nicht.«
»Die machen schließlich auch nur ihren Job. Vielleicht wäre es für uns alle besser, wenn wir etwas mehr zusammenarbeiten würden. Du weißt schon, die Wölfe finden, im Auge behalten und so.«
Luke sagte dazu kein Wort. Er war stets auf der Hut, wenn sein Vater plötzlich so vernünftig klang. Manchmal stellte er einem damit nur eine Falle, brachte einen dazu, ins offene Messer zu laufen. Luke nahm noch einen Löffel Cornflakes und sah seine Mutter über den Tisch hinweg an. Sie schaute ebenso argwöhnisch drein wie er.
»Weißt du, was mir die kleine Helen Ross neulich erzählt hat? Dass du ihr sehr geholfen hast beim Fangen der Wölfe. Hat regelrecht ein Loblied auf dich gesungen und gemeint, für diese Art Arbeit hättest du ein gutes Gespür.«
Er schwieg, wartete auf eine Reaktion, bekam aber keine.
»Und das hat mich auf den Gedanken gebracht, dass du ihr vielleicht zur Hand gehen könntest, wenn wir die Kälber in die Winterställe getrieben haben.« Er lachte laut auf. »Jedenfalls solange ihr unseren Kühen nicht auch ein Halsband verpassen wollt!«
Luke schaute wieder zu seiner Mutter hinüber. Sie hob überrascht die Augenbrauen.
»Ich glaube allerdings nicht, dass sie dir viel zahlen kann. Aber ganz im Ernst, wenn du ihr ein wenig helfen möchtest, habe ich überhaupt nichts dagegen.«
Luke hatte es gar nicht erwarten können, Helen die Neuigkeit zu überbringen. Er war gleich nach draußen gegangen, um sein
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