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Im Kreis des Wolfs

Im Kreis des Wolfs

Titel: Im Kreis des Wolfs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicholas Evans
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Pferd zu satteln. Doch obwohl er inzwischen hin und her überlegt hatte, verstand er den Meinungsumschwung seines Vaters immer noch nicht. Vielleicht beunruhigten ihn diese Anrufe. Möglich war’s, aber Luke glaubte nicht daran. Wahrscheinlich stand ein ganz anderes, wahrscheinlich eigennütziges Motiv dahinter. Doch Luke sollte das egal sein.
    Als er das Tal erreichte, hörte er Buzz bellen und lenkte Moon Eye aus dem Wald an den See, der spiegelglatt und dampfend wie der Bach im Morgenlicht dalag. Oben, am Hang zur Hütte, schmolz die Sonne bereits erste grüne Flecken in den silbrigen Raureif. Die Hüttentür stand offen, und Buzz saß auf der Schwelle, starrte ins Innere und bellte unsicher.
    Helens Pick-up war da, die Scheiben zugefroren. Er hatte schon befürchtet, dass sie unterwegs sein könnte, die Fallen zu überprüfen. Buzz wandte sich um, entdeckte ihn und Moon Eye und kam den Hang heruntergerannt, um sie zu begrüßen.
    »He, Buzz, alter Freund. Wie geht’s?«
    Der Hund sprang bellend um sie herum und lief dannam Bach entlang und vor ihnen her. Im frostweißen Gras konnte Luke frische Spuren und die Losung der Rehe sehen, die hier früh am Morgen zur Tränke gekommen waren. Er wartete darauf, dass Helen aus der Hütte trat, und erst als sie sich nicht blicken ließ, stieg er ab und ging zur Tür.
    »Helen?«
    Keine Antwort. Vielleicht war sie hinter der Hütte im Anbau. Er wartete einige Augenblicke, dann rief er noch einmal. Wieder bekam er keine Antwort. Er klopfte leise an die offene Tür.
    »Helen? Hallo?«
    Buzz bellte erneut und drückte sich dann an ihm vorbei in die Hütte. Luke nahm den Hut ab und folgte ihm. Es dauerte eine Weile, bis sich seine Augen an die Dunkelheit im Innern gewöhnt hatten. Dann konnte er undeutlich Helens Umrisse auf dem Bett erkennen.
    Er wusste nicht, was er tun sollte. Vielleicht sollte er sie schlafen lassen und später wiederkommen. Doch irgend etwas an der Art, wie sie dalag, ließ ihn bleiben. Einer ihrer Arme hing über die Bettkante, die Finger leicht gekrümmt, die Nägel berührten den Boden. Daneben lag ein Becher, der Inhalt verschüttet. Außerdem konnte er ein Fläschchen mit Tabletten erkennen. Sie lag völlig reglos da und rührte sich auch nicht, als Buzz sie winselnd mit der Schnauze anstieß. Luke legte seinen Hut auf den Tisch, machte vorsichtig einen Schritt auf sie zu und scheuchte Buzz nach draußen.
    »Helen?«, sagte er leise.
    Erst jetzt sah er, wie schmutzig ihr Arm und ihre Hand waren, und als sein Blick weiter nach unten wanderte, fiel ihm auf, dass an ihrem Knie, das unter dem Schlafsack hervorschaute, ebenfalls Erde und einige Grashalme klebten.Dann bemerkte er, dass auch ihr Gesicht voller Dreck war. Sie schlief nicht.
    Ihre Augen waren offen, doch sie starrte nur teilnahmslos vor sich hin.
    »Helen? Helen?«
    Da flackerte ihr Blick. Sie schaute ihn an, ohne den Kopf zu bewegen. Sie machte ihm Angst.
    »Helen? Was ist los? Alles in Ordnung?«
    Sie blinzelte. Vielleicht war ihr übel, oder sie hatte Fieber, dachte er. Vorsichtig trat er noch etwas näher und legte ihr die Hand auf die Stirn. Ihre Haut war eiskalt. Er hob einen Zipfel ihres Schlafsacks an und sah, dass ihr T-Shirt dreckig und durchnässt war.
    »Was ist passiert, Helen?«
    Sie begann, tonlos zu weinen. Die Tränen liefen über ihr schmutziges Gesicht. Er konnte es nicht ertragen, dieses Elend mit anzusehen. Also setzte er sich zu ihr aufs Bett, nahm sie in die Arme und drückte sie an sich. Sie war so kalt und nass, und er wiegte sie und versuchte, sie zu wärmen und zu trösten.
    Er hätte nicht sagen können, wie lange sie so dasaßen, doch er spürte, dass ihr Leben nur noch einer winzigen Flamme glich, die vielleicht erlosch, wenn er sie losließ. Das Weinen schien ihr gut zu tun, und als sie schließlich aufhörte, holte er eine trockene Decke, wickelte sie darin ein und schürte den Ofen an, damit es in der Hütte etwas wärmer wurde.
    Als er die Tür schloss, fand er auf dem Boden einen zerknüllten Fetzen Papier. Er war blau wie der Luftpostbrief, den er ihr am Vorabend gegeben hatte. Also nahm er ihn vom Boden und legte ihn auf den Tisch. Dann setzte er auf dem kleinen Coleman-Kocher Teewasser auf. Und die ganze Zeit saß sie zitternd da, eingewickelt in die Decke, die Knie umschlungen, und starrte ins Leere.
    Er fand einen Waschlappen, tauchte ihn in warmes Wasser, ging zu ihr, setzte sich erneut aufs Bett und wischte ihr, ohne sie zu fragen, den Schmutz aus dem

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