Im Kreis des Wolfs
vorspringenden Wangenknochen des Mannes spannte, schimmerte grau. Alles, bis auf die Augen, die sie wie zwei angriffslustige schwarze Käfer anstarrten.
Sie begegnete dem Wolfsjäger zum ersten Mal, obwohl er schon seit über zwei Wochen auf ihrem Grundstück hauste. Gelegentlich hatte sie einen flüchtigen Blick auf ihn werfenkönnen, wenn er auf seinem Schneemobil über die obere Weide zum Wald fuhr. Und einmal hatte sie ihm sogar zugewinkt, doch er hatte sie wohl nicht gesehen oder sehen wollen. Clyde und Buck waren einige Male zu seinem Trailer gegangen, um mit ihm zu reden. Clyde hatte gesagt, er sei merkwürdig und ziemlich mürrisch und sie solle ihn am besten gar nicht beachten.
Der kleine Buck brüllte, und der Wolfsjäger starrte ihn an, als hätte er noch nie ein Baby gesehen. Dann schien ihm wieder einzufallen, dass Kathy vor ihm stand, und er tippte grüßend an seine Mütze.
»Ma’am.«
»Sie müssen Mr. Lovelace sein.«
»Ja, Ma’am. Ihr Mann hat gesagt …«
»Kommen Sie herein. Freut mich, Sie kennenzulernen.«
Sie hielt ihm die Hand hin, und er sah sie an, als verstehe er nicht ganz, was das solle. Dann zog er langsam den dicken, rechten Handschuh aus, anschließend den dünneren, den er darunter trug, und als er endlich soweit war, ihr die Hand zu geben, wünschte sich Kathy, sie wäre gar nicht erst auf die Idee gekommen.
»Ihr Mann hat gesagt …«
»Kommen Sie doch bitte herein, Mr. Lovelace. Ich möchte nicht, dass sich dieses kleine Ungeheuer hier erkältet.«
Er zögerte, und sie sah ihm an, dass er lieber geblieben wäre, wo er war. Doch sie hielt ihm die Tür auf, und widerstrebend betrat er die Küche, den Blick auf das weinende Kind gerichtet.
»Möchten Sie einen Kaffee?«
»Ist das Ihr’s?«
Kathy lachte. Was für ein merkwürdiger alter Kerl. Wessen Baby sollte es denn sonst sein?
»Warum schreit’s denn so?«
»Der Kleine hat Hunger, sonst nichts. Ich war gerade dabei, ihn zu stillen.«
»Wie alt?«
»Ende Januar wird er ein Jahr.«
Lovelace nickte nachdenklich. Dann riss er ruckartig den Blick von dem Baby los und richtete ihn auf Kathy.
»Ihr Mann hat gesagt, er könnte mir die Kettensäge fürs Feuerholz leihen.«
»Klar.«
»Er hat gesagt, sie ist in der Scheune. Ist sie aber nicht.«
Lovelace senkte den Blick. Die Kettensäge lag auf dem Boden, gleich neben der Tür zwischen den Stiefeln. Gestern Abend hatte Clyde am Küchentisch die Kette nachgespannt und geölt und Kathy dabei zum soundsovielten Mal gesagt, dass sie keinem Menschen etwas über den Wolfsjäger erzählen dürfe.
»Kann ich die mitnehmen?«
»Natürlich.«
Er bückte sich, nahm die Kettensäge und öffnete die Tür.
»Werd’ Ihnen keine Umstände mehr machen.«
Und noch bevor Kathy sagen konnte, dass er ihr überhaupt keine Umstände gemacht habe und ob er nicht doch noch eine Tasse Kaffee mit ihr trinken wolle, war der Wolfsjäger verschwunden.
Seit mittlerweile fünfzehn Tagen suchte Lovelace nach den Wölfen, durchkämmte die Cañons und Wälder nach Spuren und überprüfte sämtliche Frequenzen auf Signale.
Er hatte im Norden angefangen, da Calder die Tiere dort vermutete, sich dann langsam in Richtung Süden durch die Berge vorgearbeitet und dabei methodisch jeden Pfad, jede Schlucht und jeden Graben auf seiner Karte abgesucht. Er wusste, dass die Biologin und Calders Sohn sich bald aufden Weg machen würden, um die Peilsender zu überprüfen, und da er ihnen aus dem Weg gehen wollte, entschied er sich meist für Routen, die seiner Meinung nach für die beiden kaum in Frage kamen, zog weit ins Hinterland und kehrte dann von Westen aus zurück.
Mit dem Wetter war es wie verhext. Seit seiner Ankunft hatte es nahezu jeden Tag geschneit, als stehe Gott auf Seiten der Wölfe und versuche, ihre Spuren vor ihm zu verbergen. Außerdem hinderte ihn der schwere Schnee am Vorankommen. Es war eine Weile her, seit er ein so großes Gebiet bei derart schlechtem Wetter absuchen musste, so dass er vergessen hatte, was für eine Strapaze das war.
Das Schneemobil machte zuviel Lärm, weshalb er nicht ständig damit fuhr, denn er hörte lieber, als gehört zu werden. Also benutzte er es nur, um damit hinauf in die Berge zu kommen, dann suchte er einen sicheren Unterstand, ließ es dort stehen und schnallte Ski oder Schneeschuhe an, je nachdem, in welchem Gelände er sich bewegte und wie der Schnee war.
Er hatte sein Gepäck auf das Nötigste reduziert, doch er trug immer noch schwer an
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