Im Kreis des Wolfs
verloren. Die Augen waren rot unterlaufen. Als sie alle zusammen vom Haus zum Korral schlenderten, nahm er schließlich doch noch von ihr Notiz.
»Eleanor.«
»Buck.«
Sie lächelte, doch er verzog keine Miene, nickte ihr bloß zu, nichts weiter. Das war ihr nur recht. In gewisser Weise machte es das für sie sogar leichter. Alle ihre Freunde hatten sie besorgt nach ihrem Befinden gefragt, als habe sie gerade eine schwere Operation überstanden. Nun, vielleicht war das auch so.
Dabei hatte sie sich schon seit vielen Jahren nicht mehr so wohl gefühlt. Endlich schien sie ihr Leben im Griff zu haben. Sie lebte in Ruths Haus aus dem Koffer, aber siefühlte sich jung und frei. Die Welt lockte sie wieder mit ihren Versprechungen, wie diese aussahen, wusste sie jedoch nicht genau.
Ruth hatte sich als wahre Freundin erwiesen. In ihren langen abendlichen Gesprächen gelang es ihr, Themen anzuschneiden, die Eleanor neue Einsichten vermittelten, sogar in ihre eigene Ehe. Bisher hatte sie zum Beispiel stets angenommen, dass Bucks Promiskuität auf eine übermächtige Liebe zu Frauen zurückzuführen war, doch Ruth schien vom Gegenteil überzeugt. Vielleicht, so sagte sie, sei eine tief verwurzelte Verachtung oder gar eine Angst vor Frauen der Grund, und möglicherweise war der Sex seine Methode, sich seiner Überlegenheit zu versichern.
Doch nicht alle ihre Gespräche waren so tiefschürfend. Eleanor hatte seit Jahren nicht mehr soviel gelacht.
Aus ihrem alten Leben vermisste sie nur Luke. Doch er besuchte sie alle paar Tage und brachte einmal sogar Helen zum Abendessen mit. Eleanor hatte ihn überreden wollen, zur Hochzeit zu kommen, obwohl sie wusste, dass er es nicht tun würde. Sie konnte seine Gründe verstehen.
»Nun dürfen Sie die Braut küssen«, hörte sie den Geistlichen sagen.
»Dann fällt er vom Pferd«, brummte Charlie Millward, und alle Leute um ihn herum lachten. Lucy beugte sich vor und ersparte dem armen Dimitri diese Blamage. Die versammelte Hochzeitsgesellschaft jubelte.
Bei solchen Gelegenheiten galoppierten Braut und Bräutigam oft gemeinsam davon, doch darauf verzichteten Lucy und Dimitri aus verständlichen Gründen. Sie ließen es bei einem würdevollen Ritt um den Korral bewenden. Dann posierten sie eine halbe Stunde lang für die Fotografen, während die Gäste sich auf der Suche nach einem Drink in den nächsten Korral begaben.
Es war alles für die Hochzeitsfeier vorbereitet. Es gab lange Reihen mit Tischen und Bänken und in der Mitte einen hölzernen Tanzboden. Nellys Sohn Eimer spielte in seinem besten Bikers-für-Jesus-T-Shirt auf seiner Fiedel, während die Sonne rotglühend unterging, wie auf dem Gemälde, das Kathy gekauft hatte. Die farbigen Lichterketten rund um das Geländer machten sich prächtig.
Und dann geschah es.
Doug Millward hörte es als Erster. Das Blitzlichtgewitter der Fotografen war vorüber. Doug kam gerade hinter Braut und Bräutigam aus dem Korral, als Eleanor sah, wie er stehenblieb und stirnrunzelnd zur Weide hochschaute. Er bat die Gäste um ihn herum, ruhig zu sein, doch dauerte es eine Weile, bis endlich alle still waren und auch Eimer zu fiedeln aufhörte. Da trug der Wind den Laut deutlich zu ihnen herüber: das panische Blöken einer Kuh.
Die Nacht war klar und frisch, und ein fast voller Mond warf ihre Schatten über den Hang, als sie warm angezogen ihre Ausrüstung auf den Pick-up luden. Zwar hatten sie nach dem üppigen Mittagessen mit Dan noch keinen Hunger, machten sich aber trotzdem einige Sandwichs und eine Thermosflasche mit Kaffee für später.
Luke sagte, er wolle, falls nötig, die ganze Nacht unten auf der Rodung bleiben. Es war dreiundzwanzig Tage her, seit das Alpha-Weibchen sich in der Höhle verkrochen hatte, und er war fest davon überzeugt, dass er die Welpen heute zu Gesicht bekommen würde.
Buzz hatte immer noch nicht kapiert, dass er sie zu diesen Nachtwachen nicht begleiten durfte. Helen musste ihn aus dem Pick-up holen und am Halsband zurück in die Hütte schleifen. Sie schloss gerade die Tür ab, als sie zwischen den Bäumen Scheinwerferlicht sah.
Es war eine recht ungewöhnliche Zeit für einen Besuch, und seit man ihren Pick-up verkratzt hatte, war sie Gästen gegenüber misstrauisch. Sie blieb neben Luke stehen. Schweigend warteten sie auf ihren Besucher.
Der Wagen fuhr schnell, die Scheinwerfer tanzten über Schlaglöcher und Furchen aus angetrocknetem Winterschlamm. Sie kannten den Wagen nicht, und erst als er vor
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