Im Kreis des Wolfs
durch die gewundenen Baumkorridore.
»Danke«, sagte Helen, »dass Sie uns Bescheid gesagt haben.«
Ohne Lukes Jeep aus den Augen zu lassen, streckte Eleanor eine Hand aus und strich ihr sanft über die Schulter.
35
Die weiße Wölfin verharrte im Eingang zur Höhle, während die beiden größten und vorwitzigsten Welpen zwischen ihren Beinen hindurch in die mondbeschienene Welt hinaustapsten.
Die ausgeworfene, mit Kot und Knochensplittern übersäte Erde rund um die Höhle war von den beiden Jährlingen festgetreten worden und hart wie Beton. Einer der Welpen probierte seine neuen Zähne an einem Knochen aus, fand aber wenig Spaß daran und ließ ihn gleich wieder fallen. Da lag etwas in der Nähe, was weit besser roch.
Das Muttertier hatte es auch gerochen, schon den ganzen Tag. Vielleicht glaubte es, die beiden Jährlinge hätten es gebracht, doch sie waren seit dem Auftauchen der Menschen nicht mehr hier gewesen. Lange bevor sie ihre Stimmen hörte, hatte sie diese Wesen gerochen. Sie war reglos in der Höhle liegengeblieben, während sie auf das Scharren undStampfen der Füße draußen lauschte. Dann war da ein klirrendes Geräusch gewesen und außer dem von frischem Fleisch noch ein anderer Geruch. Er war ebenso beißend und unnatürlich wie dieses Ding, in dem sich ihre Pfote einmal verfangen hatte.
Den beiden Welpen aber war der Geruch unbekannt. Sie rochen nur das Fleisch. Schon den ganzen Tag hatten sie versucht, die Höhle zu verlassen, waren aber immer wieder von der Wölfin daran gehindert worden. Doch nach so vielen Stunden vergeblichen Wartens darauf, dass die Jährlinge mit Fressen zurückkamen, war die Wölfin, an deren Zitzen sechs gierige Mäuler hingen, so hungrig, dass sie schließlich nachgab.
Der erste Welpe trottete zielstrebig auf die Stelle zu, von der der Geruch herüberdrang. Das Muttertier folgte ihm und stupste mit der Schnauze den nächsten Welpen zu seiner ersten richtigen Mahlzeit. Hinter ihnen blinzelten zwei weitere Welpen aus der Höhle ins Mondlicht.
Ein Brocken helles Fleisch lag vor der Wölfin; links und rechts davon roch sie noch weitere. Der beißende Geruch aber, den sie wahrgenommen hatte, kam von einem Menschending, einem Draht, der zwischen den Fleischstücken verlief. Sie zögerte und prüfte schnuppernd die Luft.
Inzwischen roch der Welpe bereits an dem Fleisch. Er stupste es mit der Nase an, probierte davon und schleifte es über den Boden. Kaum zerrte er daran, sah seine Mutter, wie sich der Draht bewegte. Sie sprang zurück, als habe sie eine Klapperschlange entdeckt. Da lauerte Gefahr, das wusste sie genau. Aber es war keine Schlange. Mit einem Satz war sie bei dem Welpen.
Doch der Kleine hatte das Fleisch schon im Maul und biss darauf.
Luke winkte, als er in die Abzweigung einbog, während Helen sich mit einem Aufblenden der Scheinwerfer verabschiedete und weiter zur Rodung fuhr. Er ließ den Wagen an seinem üblichen Versteck stehen, griff nach den Taschen und dem Stock mit der Spritze und lief durch den Wald.
Er hielt den Strahl der Taschenlampe vor sich auf den Boden gerichtet. Überall gab es Felsen, Baumwurzeln und undurchdringliches Gestrüpp, so dass er einige Male mit dem Fuß hängenblieb und kopfüber ins Unterholz stürzte.
Er versuchte, sich auszurechnen, wieviel Zeit ihm blieb.
Wenn sie vom Last Resort aufbrachen, würden sie von Norden kommen, die Straße nehmen, die von der Stadt aus direkt nach Westen am Besitz der Townsends entlang in den Wald führte, und dann nach links in den Holzfällerweg einbiegen. Doch da er nicht wusste, wann sie aufgebrochen waren, hatte es keinen Sinn, irgendwelche Berechnungen anzustellen. Er wusste nur, dass er weiterrennen musste.
Endlich entdeckte er zwischen den Bäumen die mondhelle Rodung. Er knipste die Taschenlampe aus und fischte auf dem Weg zum Waldrand Dans Nachtsichtgerät aus seiner Tasche. Dann blieb er stehen, schaltete es ein, und gerade, als er es scharf gestellt hatte, begann der Wolf zu bellen.
Es war das Alpha-Weibchen. Es stand wenige Schritte vor dem Eingang zur Höhle und bellte ihn direkt an. Hinter der Wölfin bewegte sich etwas. Luke brauchte einen Augenblick, bis er erkannte, dass es die Welpen waren. Ihr Fell war viel dunkler als das ihrer Mutter, so dass er nicht genau sehen konnte, wie viele es waren. Die Mutter scheuchte sie zur Höhle, schien ihnen aber nicht folgen zu wollen.
Als der letzte darin verschwunden war, lief sie bellend auf und ab und schaute immer wieder
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