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Im Kreis des Wolfs

Im Kreis des Wolfs

Titel: Im Kreis des Wolfs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicholas Evans
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würde, doch es roch nur nach Erde. Er fand keine Knochen, keinen Kot, überhaupt keine Spur von Wölfen, ein paar helle Haare ausgenommen, die an einigen Baumwurzeln an der Decke hingen. Das Ende des Gangs weitete sich zu einer etwa einen Meter breiten Kammer, und Luke blieb eine Weile vor Anstrengung keuchend liegen. Er dachte an das Weibchen, das hier seine Jungen geboren, ihre blinden Gesichter geleckt und sie gesäugt hatte.
    Dann knipste er die Lampe aus und hielt den Atem an, eingehüllt in Stille und Dunkelheit, und musste daran denken, dass er etwas über das Leben gelesen hatte, das ein Kreislauf sei vom Grab des Schoßes zum Schoß des Grabes. Er hatte nie verstanden, warum man sich vor dem absoluten Nichts des Todes fürchten konnte. Er wäre zufrieden hier an Ort und Stelle gestorben.
    Daran musste er immer noch denken, als er blinzelnd wieder ans Sonnenlicht kam und Helens lächelndes Gesicht sah. Sie sagte, sie habe schon Angst gehabt, dass er auf immer unten bleiben würde, und er platzte einfach mit dem heraus, was ihm durch den Kopf ging – und das war ziemlich dumm. Doch sie nickte einfach nur, und er sah in ihren Augen, dass sie ihn verstand. Seltsam, er hatte schon zwei- oder dreimal das Gefühl gehabt, dass sie sich irgendwie ähnlich waren, als gehörten sie zum selben Stamm.
    Wahrscheinlich bildete er sich das alles nur ein.
    Sie half ihm, den Schmutz von Rücken und Schultern zu klopfen. Er genoss die Berührung ihrer Hände. Dann tat er das gleiche für sie, und das gefiel ihm noch besser. Sie stand mit dem Rücken zu ihm, und er konnte einfach nicht anders, er musste ihren Nacken anstarren, jene Stelle, wo ihrHaar in die sonnengebleichten Härchen auf ihrer gebräunten Haut überging.
    Er sah ihr zu, wie sie vor ihm den Weg abschritt, noch immer die Antenne in der Hand. Sie trug Khakishorts und ihren hellblauen Pullover. Jetzt drehte sie sich um, kam langsam zurück und kaute dabei auf ihrer Unterlippe, wie sie es immer tat, wenn sie sich konzentrierte.
    Plötzlich blieb sie stehen und erstarrte. Er wusste, dass sie etwas gehört hatte. Dann stieß sie einen Freudenschrei aus.
    »Ja!«
    »W-W-Welche ist es?«
    »Fünfzweiundsechzig. Die haben Sie gesetzt. Unten beim Weidengestrüpp, wissen Sie noch?«
    Sie rannte auf ihn zu, grinste und hielt ihm die Kopfhörer hin, damit er sich selbst überzeugen konnte. Buzz, der immer noch im Pick-up hockte, begann zu bellen, doch Helen befahl ihm, ruhig zu sein.
    »Hören Sie’s?«
    Einen Moment lang hörte er überhaupt nichts. Doch dann, als sie den Empfänger genauer einstellte, vernahm er das regelmäßige Klick-Klick-Klick des Signals. Er grinste und nickte, und Helen klopfte ihm auf die Schulter.
    »He, Trapper, Sie haben gerade einen Wolf gefangen!«
    Sie brauchten zwanzig Minuten, um zu der Stelle zu gelangen, an der sich der Weg im Wald verlor. Helen fuhr so schnell, dass Luke bezweifelte, lebend ans Ziel zu kommen. Die ganze Fahrt über hänselte sie ihn, nannte es Anfängerglück und was er denn glaube, wer er sei, komme hereingeschneit und mache ihr vor, wie’s gehe, nach all der Arbeit, die sie mit den Fallen gehabt habe. Luke versprach ihr lachend, kein Wort davon zu verraten.
    Sie stellten den Wagen auf einer Lichtung ab und stiegen aus, um auf der Ladefläche ihre Rucksäcke zu packen. Aufder anderen Seite der Lichtung lehnten zwei Holzfäller schweigend an einem halbbeladenen Hänger und rauchten. Luke kannte sie nicht. Helen winkte und rief hallo, aber sie nickten nur, sogen an ihren Zigaretten und lächelten nicht mal.
    Helen machte sich an ihrem Rucksack zu schaffen und tat so, als führe sie eine halblaute Unterhaltung mit den Holzfällern, deren Wortlaut aber nur Luke verstehen konnte.
    »He, hallo, Helen! Wie steht’s? Schon einen Wolf gefangen? Tatsächlich? Ist ja phantastisch! Na ja, geht so. Sie auch. Bis dann!«
    »Haben Sie die schon mal gesehen?«, fragte Luke leise.
    »Klar, die haben mich einige Male fast vom Weg abgedrängt.« Sie schnürte den Rucksack zu und grinste, als sie ihn sich auf den Rücken hievte. »Haben Sie das Nicken gesehen? Ein winziges Nicken, zugegeben, aber immerhin ein Nicken. Warten Sie’s ab, bald werden wir die besten Freunde sein. In jedem Holzfäller steckt ein Baumfreund, der nur darauf wartet, hervorkommen zu können.«
    »Glauben Sie das wirklich?«
    »Nein.«
    Sie ließen Buzz im Pick-up und marschierten den Wrong Creek entlang.
     
    Noch ehe sie das Signal gehört hatte, war Helen

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