Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Im Kreis des Wolfs

Im Kreis des Wolfs

Titel: Im Kreis des Wolfs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicholas Evans
Vom Netzwerk:
waren, hielten das fürs Evangelium und dachten sich immer neue Schikanen aus, um den Ranchern das Leben noch schwerer zu machen. Man konnte in all dem Papierkram ersticken, mit dem man überschüttet wurde. Es gab Regeln und Beschränkungen für tausend Dinge und obendrein noch einen Haufen Strafen, wenn man dagegen verstieß. Allein bei dem Gedanken daran konnte einem schlecht werden.
    Ach, zur Hölle damit. Buck würde schon mit ihnen fertig werden. Er wusste genau, dass ihn die meisten Staatsbeamten, mit denen er es zu tun hatte, fürchteten, und er machte sich einen Spaß daraus, ihnen mächtig einzuheizen. Die ärmeren Rancher allerdings, Leute wie die Hardings, waren angreifbarer. Es war nicht leicht, sich gegen die Beamten aufzulehnen, wenn diese wussten, dass sie den Rancher mit einer Strafe oder mit zeitaufwendigem bürokratischem Kram in den Ruin treiben konnten.
    Als Abe auf dem Jahrmarkt zu ihm gekommen war, hatte Buck wirklich Mitleid mit ihm gehabt, nicht wegen seiner Sorge um die Wölfe, sondern weil er so gehetzt und bedrückt aussah. Beinahe hätte Buck Schuldgefühle bekommen, weil er in den vergangenen Jahren so wenig getan hatte, um ihm zu helfen.
    Deshalb wollte er mit Clyde zu Abes Weiden, um ihm mit der Herde zur Hand zu gehen. Vorher waren sie zu ihrer eigenen Pacht geritten, um Luke abzuholen, der ihnen helfen sollte.
    Weiter unten sah Buck jetzt Clyde, der aus dem Wald auf ihn zugeritten kam. Die beiden hatten sich getrennt, um sodie abgelegeneren Ecken der Weide rascher überprüfen zu können.
    Den Kühen und Kälbern, jedenfalls jenen, die Buck zu Gesicht bekam, schien es gutzugehen, aber von seinem Sohn war keine Spur zu sehen.
    »Hast ihn gefunden?«, rief er Clyde zu.
    »Nee. Und es sieht auch nicht so aus, als wenn er in seinem Zelt geschlafen hätte.«
    »Wo zum Teufel treibt sich der Junge bloß rum?«
    »Keine Ahnung.«
    Buck schüttelte den Kopf und wandte das Gesicht ab, da ihm, wie so oft, allein der Gedanke an Luke die gute Laune verdorben hatte. Er wartete, bis Clyde den Hang zu ihm heraufgeritten war, riss dann, ohne ein Wort zu sagen, sein Pferd scharf herum und schlug den Holzfällerweg ein, der hier den Wald durchschnitt und zu den Weiden der Hardings führte.
    Er hatte es für einen guten Einfall gehalten, Luke auf die Herde aufpassen zu lassen. Weiß Gott, es war schwer genug, eine Arbeit zu finden, die der Junge machen konnte, ohne über die eigenen Beine zu stolpern. Anfangs war Buck beeindruckt gewesen, wie ernst er seine neue Aufgabe zu nehmen schien, erst recht, als er auch noch nachts oben auf den Weiden blieb. Doch jetzt war er sich da nicht mehr so sicher.
    Clyde traf Luke nie an, sooft er auch heraufkam. Und im Haus schien der Junge auch nur noch dann aufzutauchen, wenn sonst keiner da war – von dem einen Mal vor zwei Tagen abgesehen, als er zum Frühstück mit dieser Verletzung auf der Stirn erschien und sagte, dass ihn beim Reiten ein Zweig oder Ast im Gesicht getroffen habe. Daraufhin hatte sich Eleanor wieder aufgeregt und gemeint, dass es doch nicht sicher genug sei, sich da oben die ganze Nacht allein aufzuhalten.
    Manchmal trieb der Junge Buck zur Verzweiflung. Er wusste, dass es ihm weh tun würde, Luke mit dem Sohn zu vergleichen, den er verloren hatte, aber er konnte nicht anders. Wenn er entdeckte, wie Luke mal wieder Mist baute, sah Buck vor seinem geistigen Auge Henry, wie dieser die Arbeit mit links erledigte. Neben Lukes langem Gesicht am Essenstisch sah er das pfiffige Grinsen seines Bruders und hörte sein fröhliches Lachen. Welche Laune der Natur konnte aus dem gleichen Samen nur zwei so verschiedene Söhne hervorbringen?
    Obwohl er sich über seine eigene Sterblichkeit noch nicht allzu viel Gedanken machte, fragte sich Buck, was in der Zukunft wohl aus der Ranch werden würde. Die Tradition wollte es, dass sie an seinen einzigen Sohn und Erben überging, aber die Tradition konnte aus einem Mann einen Narren machen. Niemand, der seinen Verstand noch beisammen hatte, würde Luke die Führung der Ranch zutrauen, selbst wenn dieser irgendein Interesse an der Aufgabe gezeigt hätte. Und obwohl Buck es weder schriftlich festgehalten noch sich selbst eingestanden hatte, dachte er immer öfter daran, Clyde und Kathy die Zügel zu überlassen, wenn es einmal soweit war.
    Dass die Calder-Ranch nach all den Jahren von einem geführt werden sollte, der einen anderen Namen trug, empfand Buck als Schande. Er hatte es nicht vermocht, einen ordentlichen

Weitere Kostenlose Bücher