Im Kreis des Wolfs
männlichen Erben zu zeugen, der den Stammbaum fortsetzte – und die ganze Welt wusste darüber Bescheid.
Der Holzfällerweg war so schmal, dass die Pferde nicht nebeneinander gehen konnten, also ritt Clyde hinter ihm und behielt seine Gedanken für sich, wofür Buck ihm dankbar war. Unterhaltungen waren nicht gerade Clydes starke Seite, doch wo seine Stärken lagen, ließ sich auch nicht soohne weiteres sagen. Buck hatte stets gedacht, dass Kathy einen Besseren hätte finden können, aber offenbar schienen das die meisten Väter von ihren Töchtern zu glauben.
Clydes Eltern waren beide gestorben, als er noch klein war, weshalb ihn Onkel und Tante auf einer Ranch bei Livingston aufgezogen hatten. Angeblich waren sie ziemlich streng zu dem Jungen gewesen, was vielleicht jenen Zug an ihm erklärte, den Buck so überaus irritierend fand, nämlich seine fast hündische Dankbarkeit. Er war stets zu sehr darum bemüht, auf Bucks Launen Rücksicht zu nehmen, stets ein wenig zu sehr darauf aus zu gefallen. Was Buck dachte, das dachte auch Clyde, und wenn Buck seine Ansicht änderte, selbst wenn er behauptete, dass schwarz nicht schwarz, sondern weiß war, würde Clyde sich seiner Meinung anschließen.
Doch wenn das sein schlimmster Fehler war, konnte Buck sich glücklich schätzen, einen solchen Schwiegersohn zu haben. Kathy besaß genug Verstand für beide, außerdem verwöhnte der Junge sie und das Baby. Und vor harter Arbeit scheute er auch nicht zurück. Vielleicht würde eines Tages doch noch ein vernünftiger Rancher aus ihm werden.
Vor sich hörte Buck jetzt Motoren aufheulen. Als sich der Wald lichtete, sah er Wes und Ethan, Abes Söhne, die auf ihren Motocrossmaschinen den Weideboden aufwühlten.
»Was in Gottes Namen treiben die denn da?«, fragte er leise.
Eine kleine Herde verschreckter Kühe und Kälber wollte in den Schutz der Bäume fliehen, doch Ethan, der jüngere der beiden, versuchte sie von dort wieder zu verscheuchen. Er verschwand mit laut aufheulendem Motor im Wald, eine blaue Rauchfahne hinter sich herziehend.
Abe hockte am Fuß der Weide auf seinem Pferd, schaute zu und brüllte gelegentlich einige Anweisungen, die ungehörtim Lärm der Maschinen untergingen. Er nickte grimmig, als er Buck und Clyde näher kommen sah.
»Buck.«
»Hallo, Abe. Tut mir leid, dass wir so spät dran sind.«
»Macht nichts.«
»Wir haben Luke gesucht.«
»Hab ihn gesehen, als wir raufgekommen sind, vor einer Stunde ungefähr«, sagte er, während seine Blicke wieder seinen Söhnen folgten, die hektisch unter den Bäumen herumkurvten. »Wollte mit dieser Wolfsfrau zum Wrong Creek.«
»Was zur Hölle hat er denn mit der zu schaffen?«, fragte Clyde.
Abe wandte den Kopf zur Seite und spuckte einen Mundvoll schwarzen Tabaksaft aus. »Frag nicht mich.«
Es dauerte eine Weile, bis das nächste Wort fiel. Buck wollte nicht, dass seine Stimme verriet, wie wütend ihn diese Neuigkeit machte.
»Und? Wie läuft’s?«, fragte er schließlich.
»Bis jetzt vier Kühe ohne Kälber. Die Euter sind ganz ausgetrocknet.«
»Glauben Sie, dass es die Wölfe waren?«, fragte Clyde.
»Wer denn sonst?«
Buck und Clyde machten sich nützlich und erledigten das, was eigentlich Wes’ und Ethans Aufgabe gewesen wäre. Nach einer Stunde hatten sie die Weide abgeritten und sämtliche lebenden Kühe und Kälber am Fuß der Weide zusammengetrieben. Abe fand noch weitere zwei Kühe mit trockenen Eutern. Von ihren Kälbern fehlte jede Spur.
Abe hatte kein Wort mehr gesagt, nur noch hin und wieder seine Söhne oder Kühe angebrüllt. Er war ganz blass, und die Haut um die Augen zitterte, als habe er Mühe, sich unter Kontrolle zu halten.
Verglichen mit Bucks Viehbestand war die Herde klein.Als sie die höher gelegenen Hänge hinter sich hatten, wo die Kühe immer wieder seitwärts in den Wald ausbrechen konnten, fiel es Abe und seinen Söhnen nicht mehr schwer, die Tiere ohne weitere Hilfe zur Ranch zu treiben. Buck rief Clyde, und gemeinsam ritten sie zu Abe.
»Kommen Sie jetzt allein zurecht? Ich dachte, wir machen uns auf den Weg und suchen nach Luke.«
»Sicher. Danke für die Hilfe.«
»Kein Problem. Wenn die anderen ihre Herden unten haben, sollten wir uns vielleicht mal alle zusammensetzen und über diese Wolfsgeschichte reden.«
»Wüsste nicht, was es da zu reden gäbe.«
»Schaden kann’s aber auch nicht.«
»Mag sein.«
»In Ordnung. Bis später dann, Abe.«
»Gut.«
Sie bogen auf einen schmalen Pfad ein, der
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