Im Kühlfach nebenan
Nachbarn,
von denen keiner einen Strauß Grünzeug, eine Flasche Wein oder ein Geschenk trug. Interessant. Ich mischte mich unter die
Gäste.
In diesem Wohnzimmer hatte ich mich noch nicht umgeschaut, aber es bot außer den Klappstühlen keine Überraschung. Typen und
Tussen in teuren Fummeln traten ein, begrüßten die Hausherrin Susanne und die anderen Stinkwichtel mit Küsschen hier, Küsschen
da, verquirlten dabei ihre teuren Eaux de Klos, After Shaves, Parfums |58| und Fragrances zu einer mittleren Chemiekatastrophe und setzten sich. Die Herren mit lässig übereinandergeschlagenen Beinen
und zurückgelehntem Oberkörper, die Damen mit züchtig nebeneinander stehenden Slippern mit Goldschnalle. Die Hausherrin Susanne
Gröbendahl beendete ihren Job als Türöffner und betrat hinter einem Servierwägelchen, auf dem Flaschen und Gläser klirrten,
den Raum.
»Rotwein? Weißwein? Richard kommt gleich mit dem Bier. Bitte, bedient euch doch.« Hippes Knabberzeug, das wie aufgeblasene
Salzstangen aussah und mit etwas bestreut war, das verblüffende Ähnlichkeit mit Tannennadeln hatte, wurde in großen Glasvasen
weitergereicht. Knallrote Lippen schlossen sich um die prallen Stangen, der eine oder andere Typ rutschte nervös auf seinem
Klappstuhl herum, schlug das andere Bein über, zog den Pullover aus und legte ihn über den Schoß. Innerhalb kürzester Zeit
wurde die Luft heiß und stickig. Wie im Puff – nur ohne den gewissen Extra-Duft. Das würde sich allerdings gleich ändern,
hoffte ich, denn die Hausmutti zog einen braun gebrannten Schnösel, der eben hereinkam, mit sich aus dem Wohnzimmer hinaus
in einen Nebenraum, der mit zimmerhohen Wandschränken, Bügelbrett und Standfahrrad spärlich möbliert war. Die Tür fiel hinter
den beiden ins Schloss.
Ich war gespannt, wie man auf einem Standfahrrad zipfelt, und dachte, hier könnte ich noch etwas lernen, bevor die Veranstaltung
losgeht, daher folgte ich ihnen in freudiger Erwartung. Er versuchte auch gleich, sie zu befummeln und sich an ihr festzusaugen,
aber sie wehrte sich. Na ja, manche Frauen glauben, dass ein bisschen Herumzappeln sie interessanter macht. Kann sein. Die
Tussi darfs bloß nicht übertreiben.
Diese hier übertrieb.
|59| »Rolf, es ist vorbei, kapier das doch endlich«, herrschte sie ihn an.
Oho, Zickenalarm! Aber wenn sie keinen Quickie wollte, weshalb hatte sie ihn dann zwischen Bügelbrett und Fahrrad geschleift?
Rolf, dessen Solariumsbräune trotz der Zurückweisung weiterhin ebenso tadellos saß wie sein teures Jackett über dem offenen
Hemd über der Designerjeans über den Markenlederschuhen, lehnte sich grinsend ans Fahrrad, verschränkte die Arme vor der Brust
und stellte dieselbe Frage, die auch mich umtrieb.
»Warum hast du mich dann hier hereingezerrt, süße Suse?«
Die Süße wurde zusehends sauer. »Was hast du dir dabei gedacht? Ich bin die Vorsitzende der Nachbarschaftsinitiative. Deine
Alleingänge sind weder von der Mehrheit legitimiert noch unserer Sache dienlich. Ganz im Gegenteil!«
Rolf grinste weiter. »Die Mehrheit der Anwesenden will zwar die Penner weghaben, aber nichts dafür tun. Du bist genau wie
die. Hast Schiss, dich unbeliebt zu machen. Deshalb bist du toll geeignet, Gastgeberin für die Meetings zu spielen, aber als
Vorsitzende leider die falsche Wahl. Also habe ich die Sache in die Hand genommen.« Die saure Süße kochte inzwischen. »Ich
verbiete dir, …« »Was?«, fragte Rolf mit einem spöttischen Grinsen und dem entsprechenden Tonfall. »Was willst du mir verbieten?« Er lachte
laut auf. »Vergiss es, Süße. Spiel du schön weiter mit deinem Kindergarten, ich tue, was ich für richtig halte.«
Er packte sie an den Schultern, drückte ihr einen Kuss auf den Mund und verließ das Haus. Ich war unsicher, ob ich ihm folgen
oder bei der Versammlung der Nachbarschaftsinitiative zuhören sollte, und entschied mich für die Versammlung.
|60| Richard, der Gehörnte, streckte den spärlich behaarten, blassen Kopf zur Tür herein. »Was ist, Susanne? Können wir jetzt anfangen?«
Die Tussi, der ich leider nicht ansehen konnte, ob Lust oder Frust der Grund ihrer offensichtlichen Erregung war, machte einen
Abstecher ins Bad, wo sie Frisur und Lippenstift richtete. Dann ging die Versammlung endlich los.
»Wir müssen etwas tun«, war der häufigste Ausspruch des Abends, dicht gefolgt von »Das müssen wir uns nicht bieten lassen«.
Das einzige
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