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Im Kühlfach nebenan

Titel: Im Kühlfach nebenan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jutta Profijt
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Tote hat es gegeben«, flüsterte Marley. »Echt
     Scheiße. Obwohl ich die zwei Nonnen, die’s erwischt hat, nicht kannte. Hier haben sie jedenfalls nicht gearbeitet.«
    Mir kam kurz der Gedanke, dass Marlene mir gar nicht erzählt hatte, was ihre Aufgabe im Kloster war. Ich war sicher, dass
     sie meine Gedanken mitbekam, aber sie antwortete nicht freiwillig. Bitte sehr, dann eben nicht. Vielleicht war sie die Putze
     gewesen. Damit würde ich auch nicht hausieren gehen.
    »Hast du nichts bemerkt, als es gebrannt hat?«, fragte Martin. »Wo du doch hier Stammgast bist, meine ich.« Marley schüttelte
     den Kopf, dass die Locken flogen. »Nee, ich hab gepennt. Ich penn hier gut. Ist vielleicht was Übersinnliches oder so, aber
     nirgendwo penn ich so gut wie hier.«
    »Hat denn die   …« Kripo, hatte er sagen wollen, besann sich dann aber eines Besseren. »Hat die Bullerei euch befragt?«
    Marley nickte. »Klar. Ist aber nix bei rausgekommen. Hier schleicht nachts keiner rum, die Leute sind ja froh, wenn sie mal
     ’ne Nacht in ’nem bequemen Bett verbringen können.«
    »Aha.«
    Martin suchte sich ein Bett aus und legte seine Jacke darauf. »Was soll ich sonst noch fragen?«, wollte er von mir wissen.
    |84| »Frag Maria, wer an dem Abend Türdienst hatte«, verlangte Marlene.
    »Was heißt Türdienst?«, fragte ich zurück. »Da wir keine Pförtnerin haben, wird jeden Tag eine Schwester bestimmt, die die
     Tür öffnet, wenn es klingelt. Das ist praktischer, als wenn alle loslaufen würden – oder niemand. Und diese Schwester schließt
     abends alle Türen ab.«
    Ich gab die Frage an Martin weiter, der sie Schneewittchen stellte.
    »Schwester Martha.« »Verdammt«, sagte Marlene. Ich war sprachlos. »Sie hat vielleicht etwas oder jemanden gesehen, aber wir
     können sie ja dummerweise nicht fragen«, lamentierte Marlene. »Da fällt mir ein: Hat Martha nicht die Glocke geläutet?«
    »Wozu hätte sie die Glocke läuten sollen?«, fragte ich. »Um deine Seele mit Krach und Getöse vor die Himmelspforte zu jagen?«
     »Um auf den Brand aufmerksam zu machen«, erwiderte Marlene, ohne auf meine Bemerkung einzugehen. »Wäre es nicht vielleicht
     sinnvoller gewesen, die Feuerwehr zu rufen?«, fragte ich. »Natürlich«, erwiderte Marlene. »Nur tragen wir Nonnen keine Handys
     mit uns herum. Schon gar nicht im Nachthemd. Das einzige Telefon des Klosters steht im Büro der Oberin. Die Glocke hätte also
     die Schwestern geweckt, sie wären auf den Brand aufmerksam geworden und eine hätte die Feuerwehr gerufen.«
    Das klang wie dieses seltsame Geduldsspiel, bei dem man Dominosteine in einer Reihe aufstellt, den ersten Stein umstößt und
     dann zusieht, wie alle anderen fallen. Am Anfang also die Glocke, in der Mitte das Telefon der |85| Oberin und zum guten Schluss die Feuerwehr. Mittelalterlich.
    Ich trug Martin die Frage nach der Glocke auf, er fragte Schneewittchen.
    »Das Seil war durchtrennt«, flüsterte Schneewittchen. »Und da der Turmaufgang von außen nicht zugänglich ist, ist es ja so
     geheimnisvoll, wie das Seil zerschnitten werden konnte. Aber da wir die Glocke normalerweise gar nicht läuten, weiß man auch
     nicht, seit wann das Seil schon kaputt war.«
    »Und das Öl des ewigen Lichts befindet sich normalerweise in der Sakristei«, ergänzte Marlene. »Dort kommt auch niemand hin,
     der keinen Schlüssel hat.« Ich brachte Martin, der Marlenes Beiträge nicht hören konnte, auf den neuesten Stand. »Ich bin
     hergekommen, um Entlastungsmaterial zu sammeln«, raunte er mir in Gedanken zu. »Nicht, um noch mehr Indizien dafür zu finden,
     dass die Nonnen selbst den Brand gelegt haben.«
    »Dann rede mit den anderen Gästen und frag sie, ob ihnen etwas Ungewöhliches aufgefallen ist in der Brandnacht.«
    Martin schlich von Penner zu Penner und sagte sein Sprüchlein auf. Die meisten erklärten, dass sie geschlafen hätten und erst
     wach wurden, als die Feuerwehr mit Sirenengeheul angerast kam. Die wenigsten ließen es bei dieser Antwort bewenden, sondern
     versuchten, Martin ihr ganzes Leben zu erzählen. Dem ersten hörte er glatte zehn Minuten lang zu, aber mit jedem weiteren
     Kandidaten bekam er mehr Übung darin, sich abzusetzen, wenn sie von ihren persönlichen Schicksalen faselten. Falsche Freunde,
     Stress im Job, Scheidung, Mietschulden und schwupps: obdachlos. Irgendwie glichen sich die Geschichten und mich überfiel der
     Gedanke, dass ich vermutlich |86| auch bald dazugehört hätte.

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