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Im Kühlfach nebenan

Titel: Im Kühlfach nebenan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jutta Profijt
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ernsthaft vorstellen?«, fragte Birgit. Martin überlegte,
     denn er ist ein präziser und bedächtiger Mensch und denkt erst nach, bevor er spricht. Er wog die Beweiskraft der Indizien
     ab, rief sich ins Gedächtnis, was er über das Kloster und die Nonnen wusste, und verglich diese Informationen mit dem Bericht
     von Marlene über die Nacht, in der sie in dem Brand ums Leben kam. Ums irdische Leben, um genau zu sein.
    »Nein«, entgegnete Martin. Was ihm einen Kuss von Birgit einbrachte. »Dass du kein Zyniker bist, sondern an das Gute im Menschen
     glaubst, ist auch etwas, was ich an dir mag«, flüsterte sie ihm ins Ohr. Genau dort hatte ich es mir gemütlich gemacht, während
     Martin nachdachte, und so kamen ihre roten, weichen, geschwungenen Lippen mir sehr nahe. Ein granatenscharfes Gefühl, das
     aber, wie mir schmerzlich bewusst war, nicht auf Gegenseitigkeit beruhte. Schade.
    »Äh, danke sehr«, stammelte Martin zurück und wagte einen schnellen Kuss auf diese lustvollen Lippen. Ich seufzte neidisch.
    »Sag mal, funkt es dermaßen zwischen uns beiden, oder fiepst hier irgendein elektrisches Gerät?«, fragte Birgit. Martin drehte
     sich reflexartig zu dem runden Plastikteil um, das in der Steckdose neben der Eingangstür steckte. »Das könnte von diesem
     Gerät hier kommen, obwohl in der Beschreibung steht, dass man nichts hört«, murmelte er.
    »Was ist das denn?« »Ein Ultraschallgerät gegen Mücken.« Birgit starrte erst das Gerät, dann Martin verdutzt an. »Es ist Ende
     April. Es gibt noch gar keine Mücken.« Martin zuckte die Schultern.
    |76| Das war es also, was mich eben schon gestört hatte. Ich wusste ganz genau, wen Martin damit vertreiben wollte. Mich! Was für
     eine grenzenlose Sauerei. Zum Glück funktionierte Ultraschallabwehr gegen Mücken offenbar nicht bei körperlosen Geistwesen.
     Wenn es auch tatsächlich ein bisschen kribbelte, das hatte ich ja schon bemerkt. »Tja, das mit dem Verdacht gegen das Kloster
     ist eine fiese Sache«, sagte Martin zur Ablenkung.
    Es wirkte. Birgit wandte den Blick von dem Mücken- und Geisterkiller ab und sah Martin nachdenklich an. »Ist Gregor mit diesem
     Fall beschäftigt?« Ich konnte spüren, wie Martin sich selbst verfluchte. Jetzt hatte er Birgit auf die Spur gesetzt und sie
     wollte auch noch Gregor mit hineinziehen, der im Krankenhaus schon bemerkt hatte, dass Martin ein seltsames Interesse an diesem
     Klosterfall hatte. Mit ihm wollte er auf keinen Fall noch mal darüber reden.
    »Ich weiß nicht«, stammelte Martin. »Dann frag ihn doch mal«, bat Birgit. »Was soll ich ihm sagen?«, fragte Martin. »Wir haben
     doch nichts vorzuweisen. Nur so ein Gefühl, dass die Nonnen nicht so dreist sind, ihr eigenes Kloster anzuzünden.«
    »Du hast recht«, sagte Birgit versöhnlich. »Ich finde diese Rufmordkampagne nur einfach so scheußlich   …« Martins Herz schmolz dahin. Er streichelte über Birgits fließendes, blondes Haar und drückte sie an sich. »Du hast ein
     gutes Herz.« »Und Hunger«, erwiderte sie lachend. »Lass uns etwas essen gehen. Immerhin musst du auch wieder zu Kräften kommen.«
    Ich wartete, bis sie sich für ein Ziel entschieden hatten, und machte mich dann rapido auf den Weg zum Kloster. Auch wir Geister
     müssen Distanzen überwinden. Beamen |77| geht nicht. Keine Ahnung, warum. Jedenfalls legte ich den Turbo ein, um Marlene von dem Plan, der mir gerade gekommen war,
     zu erzählen. Sie war – natürlich – beim Beten. Nicht nur sie, sondern auch die anderen Nonnen. Alle hockten in der Kirche
     und sangen mit dünnen, zitternden Stimmen eine einfallslose, nicht sehr notenreiche Melodie ohne erkennbaren Beat, die sich
     anhörte, als käme sie aus einer anderen Zeit. Kam sie wahrscheinlich auch.
    »Bevor des Tages Licht vergeht, oh Herr der Welt, hör dies Gebet: Behüte uns in dieser Nahahacht, durch deine große Güt’ und
     Macht.« Musikalisch nicht der Hit, aber irgendwie ging mir die Sache nahe. Hätte ich damals, als mein Vater mich mit meiner
     Angst vor dem Feuer ungetröstet ins Bett schickte, dieses Lied schon gekannt, wäre aus mir vielleicht etwas ganz anderes geworden.
     Ej Manno, peino, ich wurde zum Weichei. Echt peino.
    Bevor die Singschwestern genug Luft für die zweite Strophe holen konnten, rief ich nach Marlene. »Psst, wir singen die Komplet.«
     »Ihr habt ein komplett anderes Problem, das euch eure schicke Hütte kosten wird, wenn wir nicht etwas unternehmen«, zischte
     ich zurück.

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