Im Kühlfach nebenan
hineinfühlen, damit ich Katrins Wange an Martins Wange,
ihre Arme um Martins Brustkorb und ihre wunderbar fülligen, strammen Glocken an seinen Rippen spüren konnte, aber Martins
Empfindungen törnten mich total ab. Sie waren zwar sachlich richtig, aber ohne die angemessene Zugabe an Testosteron todlangweilig.
Er spürte Druckpunkte an Wange, Schulterblättern und Rippen, sonst nichts. Dabei wusste ich, dass Martin zu sexuellen Handlungen
fähig war. Das heißt, bis zu einem gewissen Punkt. Er war dann gestört worden und konnte leider nicht mehr … egal: Ich war sicher, er hätte das, was von einem Mann in dieser Situation erwartet wird, hingekriegt. Mit Birgit.
Nun regen sich bei den meisten Männern, die ich kenne, die Testosterönchen auch bei anderen heißen Bräuten, und die heißeste
Braut ist eindeutig Katrin. Martin hingegen schien gegen alle weiblichen Reize immun zu sein, außer gegen Birgits. Er ist
eben ein echter Naturwissenschaftler.
Die anderen Kollegen schlugen Martin auf die Schultern oder schüttelten seine Hand und überreichten ihm ein hübsch eingepacktes
Geschenk. Martin packte es aus. Ein Stadtplan. Überraschung! Immerhin ein seltsames Exemplar, auf dem die Stadt Köln abgebildet
war – zumindest stand das oben drüber. Ich hätte das nicht erkannt. Auf dem Plan gab es total viele Lücken im Stadtbild, stattdessen
waren da ausgedehnte Flächen, die grün gefärbt waren. Die Gegend, wo ich zu Lebzeiten gehaust hatte, war als Staatsforst gekennzeichnet.
Musste wohl schon |118| was länger her sein, dass diese Karte aktuell gewesen war. Martin bedankte sich begeistert, die Kollegen freuten sich und
fragten, ob es ihm tatsächlich schon so gut ginge, dass er wieder arbeiten könne. Sie meinten das sicher nicht nur körperlich.
Sein Benehmen in den letzten Tagen vor der Messerstecherei war wirklich sehr bizarr gewesen. Woran ich nicht ganz unschuldig
gewesen war.
Martin freute sich über die lebhafte Begrüßung, aber natürlich wurde sie ihm bald zu viel. Er atmete auf, als die Kollegen
von ihm abließen, und nahm seinen Arbeitsplatz wieder in Betrieb. Noch war das Ausweichquartier des Instituts nicht hergerichtet,
doch in einigen Wochen würde hier die Asbestsanierung beginnen und die Büros ausgelagert. Nur der Kühlraum und der Sektionssaal
blieben in diesem Gebäude. Leichen unter sich. Den meisten war das egal, die brauchten keine Zuwendung mehr.
Ich stattete den Kollegen in den Kühlfächern einen Besuch ab. Da lag das übliche Gemisch aus Selbstmördern, Mordopfern, Autounfällen,
Haushaltsunfällen und autoerotischen Unfällen. Das hat nichts mit der Erotik von Autos zu tun, wie ich anfangs dachte. Es
sind vielmehr Leute, die sich eine Tüte über den Kopf ziehen oder einen Strick um den Hals legen müssen, um in Stimmung zu
kommen. So was geht manchmal schief. Echt peinlich, wenn man so aufgefunden wird. Tüte überm Kopf und die Hand am Zipfel.
Ich versuchte, einen Hinweis auf weitere Geistseelen zu erhaschen, aber da war nichts. Nur tote Körper.
Zwei Sargträger betraten den Kühlraum. Sie wurden von einem Institutsmitarbeiter erwartet, der ein Klemmbrett in der Hand
hielt, einige Daten checkte und dann ein Kühlfach öffnete. Die Sargträger stellten ihre Kiste ab, legten den Deckel beiseite
und hoben den Neuzugang heraus.
|119| Es war Martha!
Natürlich! Sie musste ja hier landen, weil sie eines nicht natürlichen Todes infolge einer Brandstiftung gestorben war. Daran
hatte ich gestern Abend gar nicht gedacht! Es wurde Zeit, dass ich zu Martin zurückkehrte. Mit ein bisschen Glück könnte er
Marthas Obduktion übernehmen. Immerhin hatte ich Martha extra ausgequetscht, um Martin einen wichtigen Hinweis liefern zu
können. Der Rechtsmediziner meines Vertrauens war leider nicht an seinem Arbeitsplatz. Ich düste durch die Büros und Teeküchen
und fand ihn beim Chef.
»… sicher, dass Sie wieder ganz genesen sind, Herr Gänsewein?«
»Martha ist hier«, rief ich. Martins Mund, den er zwecks Antwort bereits geöffnet hatte, blieb einen Moment offen stehen.
»Äh, ja, natürlich«, drückte er dann heraus. Der Chef hatte sein Zögern allerdings bemerkt, wie wir beide unschwer an den
Dackelfalten auf seiner Stirn ablesen konnten.
»Wir sollten Sie vielleicht anfangs noch ein wenig schonen.«
»Nein!«, rief ich. »Du musst Marthas Obduktion machen. Wir haben gestern Abend mit ihr gesprochen.« »Wie
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