Im Kühlfach nebenan
geringer einstellen musste. Birgit bemerkte das Lichtflackern,
blinzelte irritiert, ging aber nicht weiter drauf ein, sondern platzte aufgeregt heraus: »Rolf zum Berg ist so gut wie pleite«,
sagte sie mit blitzenden Augen. »Er ist Schönheitschirurg und musste nach einem Kunstfehler Schadenersatz leisten.«
»Dafür war er doch bestimmt versichert«, sagte Martin. »Bei grober Fahrlässigkeit zahlt die Versicherung nicht«, erwiderte
Birgit. »Und eins Komma zwei Promille bei einer OP sind schon sehr grob fahrlässig.«
Martin zuckte zusammen. Mit eins Komma zwei Promille könnte er vermutlich nicht mal mehr stehen, geschweige denn ein Skalpell
führen. »Ihm gehört das Haus, in dem er wohnt. Die anderen Lofts will er jetzt als Eigentumswohnungen verkaufen, damit er
wieder flüssig wird.« »Das kann doch nicht so schwer sein«, vermutete Martin, aber Birgit schüttelte den Kopf.
|179| »Die Anlage hat Vor- und Nachteile. Auf der Habenseite stehen die ruhige, gehobene Wohngegend und der Zustand des Gebäudes,
das ja bereits grundsaniert ist. Aber im Soll summieren sich die Nähe zum Obdachlosenasyl, die bürgerliche Spießigkeit der
Umgebung und die Tatsache, dass die Lofts noch nicht fertig ausgebaut sind.« Martin, der in seiner 2-Zimmer -Mietwohnung beschaulich vor sich hinlebte, nickte langsam.
»Die internationale Immobilienkrise macht die Sache auch nicht besser«, sagte Birgit. »Aber daran kann zum Berg nichts machen.
Er kann auch nicht fertig ausbauen, weil er das Geld nicht hat. Die einzige Stellschraube, an der er drehen kann, ist das
Obdachlosenasyl.«
Birgit hängte ihre Jacke, die sie während ihres Redeschwalls ausgezogen hatte, an die Garderobe und ging voraus ins Wohnzimmer.
»Was ist denn hier los?«, fragte sie. »Machst du bei ›Jugend forscht‹ mit?« Martin stand verlegen zwischen den vielen Büchern
und Kartons, die sein Wohnzimmer füllten. »Also, was ist das?« Sie stand vor dem Tablett und betrachtete die Versuchsanordnung
mit einem interessierten Lächeln. »Frag sie, ob sie als Spion ins Kloster geht«, schaltete ich mich dazwischen. »Ja, gleich …«, dachte er. »Nein, jetzt«, beharrte ich. »Wir müssen noch eine ganze Menge besprechen, damit sie sich richtig benimmt und
die Tussen nicht verschreckt. Wenn die kein Vertrauen haben, werden sie ihr gar nichts erzählen. Also los, frag sie.« Martin
stellte sich neben Birgit und legte ihr vorsichtig den Arm um die Schultern.
»Birgit, ich habe heute etwas aus dem Kloster erfahren, was unsere Ermittlungen in ein ganz neues Licht taucht.«
|180| Oh, wie poetisch. »Was denn?«
Er gab ihr eine Kurzfassung der neuesten Erkenntnisse, wobei er ausschließlich politisch korrekte Worte wie Prostituierte
und Zuhälter benutzte. Das würden wir ihr gleich alles mühsam wieder austreiben müssen!
»Woher weißt du das alles?«, fragte sie. Er erzählte ihr von Marthas Verletzungen und dass er schon bei der Obduktion einen
Verdacht gehabt habe. »Aber das war nur eine Vermutung.« Ich sag ja immer, Birgit ist zwar blond, aber krass clever. Und sie
hinterfragt alles. Was ja auch von Nutzen sein kann, z. B. wenn man Nutten aushorcht. Nur jetzt im Moment ging mir diese typische Weibermanier der Dauerfragerei auf den Sack. Martin
jedenfalls stammelte nur komisches Zeug.
»Hast du Gregor davon erzählt?«, fragte Birgit. Martin erklärte ihr, warum das nicht ging. »Aber wie soll das alles jetzt
weitergehen, wenn du es niemandem erzählen kannst?«, fragte Birgit.
Martin sah sie verschämt an. Birgits Augen wurden runder, blauer, größer. »Ich?« Martin wollte schon verneinen, wollte alles
abbrechen, ich konnte es ganz klar in seinen Gedanken lesen, aber Birgits Augen begannen zu leuchten. »Ja, klar helfe ich
dir. Was soll ich tun?«
Mit einem Seufzen erklärte er ihr unsere Idee. Wir planten ungefähr zwei Stunden lang, wobei ich mir Mühe gab, den beiden
Turteltäubchen das notwendige Vokabular beizubringen. Martin brachte die Worte kaum über die Lippen und Birgit wunderte sich,
woher Martin all die Ausdrücke kannte, die zum normalen Alltag einer Nutte gehörten. Aber endlich war ich der Meinung, dass
ich die beiden auf die richtige Spur gesetzt hatte.
|181| »Und jetzt will ich wissen, was das alles für komische Apparate sind, die hier herumstehen«, verlangte Birgit endlich.
Mein Gott, diese Frau hatte ein Stehvermögen, das war einfach unglaublich. Normale Tussen können
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