Im Kühlfach nebenan
der
|184| sogenannten Kirlianfotografie«, sagte Martin schlapp. »Normalerweise kann man damit die Aura von Gegenständen sichtbar machen,
aber es könnte sein, dass auch eine Anomalie in der elektromagnetischen Strahlung darstellbar wäre.«
»Anomalie in der elektromagnetischen Strahlung?«, wiederholte Birgit verwirrt. Sie konnte mit Zahlen und Währungen und sogar
mit Börsenkram etwas anfangen, aber mit Physik offenbar genauso wenig wie ich. Sehr sympathisch.
»Zwischen dieser Scheibe und der Folie befindet sich ein Elektrolyt … Ach, ist ja auch egal. Jedenfalls gibt es die Theorie, dass eine Seele aus elektromagnetischen Wellen besteht, die mit diesem
Versuch sichtbar gemacht werden können.«
Birgit sah nicht überzeugt aus, aber sie schien wild entschlossen zu sein. »Und was müssen wir dafür tun?« »Man stellt diesen
Versuchsaufbau in ein absolut dunkles Zimmer, stellt den Fotoapparat auf eine lange Belichtungszeit ein und wartet, was passiert.«
»Aber wenn die Seele nicht gerade während der Belichtungszeit …«
Birgit war echt ausgeschlafen. Sie hatte ja bisher noch gar keinen Plan davon, was hier eigentlich ablief. Martin hatte ganz
allgemein davon gefaselt, dass er gelegentlich Stimmen aus dem Jenseits hört. Was sie nicht wusste, war, dass ich dauernd
hier herumhänge, ihm die Ohren vollsabbel und gewissermaßen sein bester Freund geworden bin. Auf jeden Fall sein ständiger
Begleiter.
»Das soll sie auch gar nicht wissen«, brüllte Martin mich gedanklich an. Hoppla, was hatte der denn jetzt für ein Problem?
Wäre doch nett, wenn Birgit auch wüsste, dass sie jederzeit mit mir reden …
|185| »Du hältst dich von ihr fern!«, befahl Martin in Gedanken. Was er nicht aussprach, in seinem Hirn aber klar zu lesen stand,
war seine Besorgnis, dass Birgit sich in seiner Gegenwart nicht mehr ungezwungen fühlen würde, wenn sie wüsste, dass immer
noch jemand dabei ist, den sie nicht hören und nicht sehen kann.
»Aber warum erzählst du ihr dann überhaupt von diesem übersinnlichen Kram?«, fragte ich. »Weil ich es nicht mehr aushalte,
von allen als durchgeknallt angesehen zu werden«, giftete er. »Katrin und Gregor weigern sich, ihr Wissen zu akzeptieren,
mein Chef schickt mich zum Psychologen, weil er mich für völlig übergeschnappt hält, und dauernd muss ich Birgit anlügen,
wenn ich erklären soll, woher ich dieses oder jenes weiß.«
Er war den Tränen nahe. »Du willst ihr also erzählen, dass du gelegentlich nette Hinweise aus dem Jenseits bekommst, aber
nicht, dass wir zwei eine Männer-WG haben?«, fragte ich. Bei dem Wort Männer-WG musste er sich auf die Lippen beißen, um nicht
laut aufzustöhnen. Ich war enttäuscht. Er verleugnete mich als Mensch und Freund und reduzierte mich auf die Informationen,
die ich ihm freundlicherweise dauernd anschleppte. Und ich hatte keine Chance, das klarzustellen, ich konnte ja keinen direkten
Kontakt zu Birgit aufnehmen. Ich hatte also nur die Wahl, beleidigt zu sein und mich von Martins Versuch fernzuhalten, dann
würde auch Birgit ihn für bekloppt halten. Oder ich konnte ihm einen Gefallen tun und mir die Nase an der Glasscheibe seines
Versuchsaufbaus plattdrücken, womit die Existenz von seltsamen Geistwesen in seiner Wohnung bewiesen werden konnte. Birgit
hatte sich inzwischen dem Versuchsaufbau genähert und betrachtete die Vorrichtung eingehend. Sie |186| bekam von Martins Gemütszustand und unserem Streit zum Glück nichts mit. Martin atmete ein paarmal tief durch und hatte sich
einigermaßen im Griff, als Birgit sich ihm wieder zuwandte.
»Wann willst du den Versuch durchführen?«, fragte sie. »Gibt es eine bestimmte Zeit …« Sie dachte vermutlich an die Geisterstunde, die sie noch aus dem Kinderbuch vom kleinen Gespenst kannte. Lächerlich!
»Wir können es jetzt versuchen«, sagte Martin laut. Und in Gedanken fügte er hinzu: »Wenn du mir ein einziges Mal im Leben
einen Gefallen tun willst, dann bitte jetzt.«
Allein für diesen blöden Spruch hätte ich sofort die Biege machen und Martin mit seinem blöden Experiment allein lassen sollen.
Als hätte ich ihm noch nie einen Gefallen getan!
Er wartete keine Erwiderung ab, sondern trug das Tablett mit dem Versuchsaufbau ins Badezimmer. Ins Badezimmer?
»Der Versuch muss in absoluter Dunkelheit stattfinden«, erklärte er mit wichtiger Miene. Martin und Birgit platzierten den
Versuchsaufbau auf dem
Weitere Kostenlose Bücher