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Im Kühlfach nebenan

Titel: Im Kühlfach nebenan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jutta Profijt
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Menschen gewidmet, die im Dreck leben. Zum größten Teil selbst verschuldet.
     Ich habe sie getröstet, ihnen geholfen, sie gegen Anfeindungen von außen verteidigt und ihnen deine Liebe gezeigt. Ist das
     nichts? Habe ich es nicht verdient, dafür belohnt zu werden? Oder«, sie lachte freudlos und meckernd, »ist das hier vielleicht
     die Belohnung? Mit einem ungebildeten Idioten, einem unverbesserlichen Macho eine Schicksalsgemeinschaft für die Ewigkeit?«
    Mir blieb vor Überraschung glatt die Spucke weg. Bildlich, Sie wissen schon.
    |170| »Ich habe immer an dich geglaubt, selbst in den dunkelsten Stunden. Ich habe geglaubt, dass du unsere Hoffnung bist. Dass
     du das Licht bist, das am Ende der Zeit auf uns wartet. Aber jetzt?«
    Marlene zischte noch etwas näher an das Kreuz und wirbelte in einem wütenden Elektronensturm davor herum.
    »Nichts ist da. Nichts. Du bist nicht da. Dich gibt es nicht. Es gibt weder Himmel noch Hölle. Oh, falsch. Es gibt die Hölle.
     Die Hölle ist diese Existenz zwischen Leben und Tod mit einem Proll wie Pascha an meiner Seite.« Spätestens jetzt stand mein
     Entschluss fest: Sie konnte mich gern haben mit ihrem Verbot. Natürlich würde ich mich im Noviziat umsehen, jawohl, das würde
     ich gleich als Erstes tun, sobald Marlene ihre Hasstirade beendete und hoffentlich auf direktem Weg in die Hölle gefahren
     war. Von einem hirnlosen Proll wie mir konnte man wohl nicht erwarten, dass er sich an die Anweisungen einer ausgetickten
     Nonne hält. Dieser selbstgerechten Heuchlerin jedenfalls war ich keine Loyalität mehr schuldig. Das hatte ich gedacht, weil
     ich an eine Verbindung zwischen uns geglaubt hatte. An eine Art Freundschaft, weil wir das gleiche Schicksal teilen. Ich jedenfalls
     war zu ihr immer ehrlich gewesen und hatte mich bereit erklärt, ihr zu helfen. Aber damit war jetzt Schluss.
    Marlenes Wut verflog so plötzlich, dass ich den Stimmungsumschwung kaum mitbekam. Aber als ich ihr herzzerreißendes Schluchzen
     hörte, wusste ich, dass das nicht nach Ärger klang, sondern nach Verzweiflung. Ich hätte sie trösten können, aber ich dachte
     nicht im Traum dran. Ich, der Proll, der Macho, der ungebildete Idiot. Sollte sie doch endlich erkennen, dass das ganze heilige
     Gesabbel nur Opium fürs Volk ist. Ha, so gebildet war selbst ich, dass ich das Zitat kannte. Von Gandhi.
    |171| Meine Stimmung war auf dem absoluten Nullpunkt, als ich die zugeklebten Fenster hinter dem Baugerüst erreichte. Ich hatte
     mir den Weg durch das Kloster gespart, weil ich keine weiteren verbitterten, alten Nonnen treffen wollte. Die jüngeren Mädels
     waren vielleicht noch nicht ganz so abgefrühstückt. Ich düste direkt in eins der Zimmer und glaubte, mich verflogen zu haben.
     Eine junge Frau lag lang ausgestreckt auf dem schmalen Bett. Sie trug eine Hose mit Tigermuster, eine rote Samtkorsage und
     eine schwarze Spitzenbluse. Ihre Füße wippten im Takt der Musik, die ein weißer iPod über die Minikopfhörer in ihre Ohren
     ballerte. Und wenn ich ballern sage, dann meine ich ballern. Die Schallwellen bliesen mich fast wieder aus dem Fenster.
    Diese Tussi war alles, aber keine Nonne, das war mir auf den ersten Blick klar. Ich düste nach nebenan. Minirock statt Tigerhose,
     hautenges Shirt in Goldlamé, etwas mehr Melodie und weniger Beats im Ohr, aber das gleiche Kaliber wie das Perlhuhn nebenan.
     Die nächsten Zimmer waren leer, dafür fand ich die anderen Tussen in einem Aufenthaltsraum, in dem sie zusammenhockten, sich
     die Fußnägel lackierten oder Zöpfe in ihre langen Haare flochten. Vierzehn Weiber, die sich im Nonnenbunker gelangweilt auf
     den Pritschen unter dem Kreuz mit dem Jesulein räkelten und wie die Sünde selbst aussahen. Hätte ich nicht gewusst, dass ich
     mich im Kloster Mariental befand, hätte ich gedacht, ich sei während der Frühstückspause im Puff gelandet.
    Vielleicht war ich das ja? Wer sagte mir eigentlich, dass es wirklich eine Erbschaft war, die dem Kloster den plötzlichen
     Geldsegen verschafft hatte? Vielleicht bot das Nonnenkloster käufliche Liebe an, so wie der Vatikan die Pille verkaufte? Geniale
     Idee. Mal was Neues. Eigentlich gab es ja sonst schon alles. Jetzt also auch den Nonnenpuff. |172| Echt krass angespitzt! Deshalb machte auch Marlene so ein Geheimnis um das Noviziat.
    Aber dann überlegte ich, wie das genau ablaufen sollte, und meine Begeisterung verflog. Ich war mir sicher, dass die Freier
     nicht ins Kloster kamen, denn ich

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