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Im Kühlfach nebenan

Titel: Im Kühlfach nebenan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jutta Profijt
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hatte in der ganzen Zeit hier noch keinen Mann ein- und ausgehen sehen. Außer Baumeister,
     aber der allein hielt keine vierzehn Pferdchen am Laufen. Dann machten die vielleicht Hausbesuche? In dem Fall war ihre auffällige
     Verkleidung allerdings hinderlich. Wenn bei Ihnen im Haus dauernd eine Nonne den Nachbarn besucht, fragen Sie doch auch irgendwann
     mal nach, oder? Eben.
    Es musste etwas anderes dahinterstecken. Ich legte einen zweiten Rundflug ein und sah genauer hin. Sechs der Mädels hatten
     schlecht überschminkte Blessuren im Gesicht oder blaue Flecken an den Armen. Eine hatte einen Arm in Gips. In einem Zimmer
     saßen zwei nebeneinander, von denen eine weinte.
    »Aber ich musste ihr doch sagen, dass es mir gut geht«, schluchzte die eine. »Ich kann dich ja verstehen«, sagte die andere
     leise, »aber das war trotzdem gefährlich. Wenn er erfährt, wo du bist   …«
    »Meine Mama sagt niemandem, wo ich bin.« Das Gesicht der anderen Tussi zeigte deutlich, was sie von dieser Aussage hielt.
     Das war es also. Wenn die Mädels sich als Harem des Kardinals herausgestellt hätten, wäre ich auch nicht erstaunter gewesen.
     Vielleicht waren sie das ja auch. Nein, Scherz beiseite, die Tussen waren zwar Professionelle – aber quasi auf Urlaub. Hier
     wurden anscheinend misshandelte Käufliche versteckt, die vor ihren Zuhältern geflohen waren. Eine Art Tierheim für Tussen.
     Deshalb die Andeutungen von dem Rockzipfel, dass Marlene Frauen |173| in Not geholfen hatte. Und dann hatte ich mich auch gestern Abend nicht verhört, als ich eine der Frauen »verpisst euch, ihr
     Wichser« hatte sagen hören. Hoffentlich waren diese Worte sonst niemandem aufgefallen.
    Ich zischte schnurstracks zu Marlene in die Kirche zurück. Klar, eigentlich war ich sauer und hatte mir eben noch geschworen,
     nie wieder ein Wort mit ihr zu reden, aber die Erkenntnis, dass die Nonnen geflohene Sexsklavinnen versteckten, machte mir
     klar, wie tief die Pinguine in der Scheiße steckten. Mädchenhirten finden es nicht spaßig, wenn man ihnen ihre Pferdchen wegnimmt.
     Dann verdienen sie nämlich kein Geld mehr. Zusätzlich verlieren sie ihr Gesicht, und das ist ganz genauso schlimm. Ein Loddel,
     dessen Tussen sich einfach so absetzen können, ohne zwei Tage später als Leiche in den Kurzmeldungen der Lokalpresse aufzutauchen,
     verliert den anderen Mädels gegenüber das wichtigste Argument für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit: die Angst der Weiber,
     genauso zu enden. Ein Tussenasyl ist also der größte anzunehmende Feind eines Zuhälters. Da war eine Brandstiftung mit nur
     zwei Toten eine ganz zurückhaltende Warnung, von der ich glaubte, dass Marlenes Schwestern sie nicht verstanden hatten, sonst
     hätten sie die Tussen längst evakuiert.
    Ich musste unbedingt mit Marlene reden, aber in der Kirche fand ich sie nicht. Auch nicht im Kloster. Ich suchte an ihrem
     Grab, im Rechtsmedizinischen Institut, in dessen Kühlfach fünf Schwester Martha immer noch herumlag, in der Krankenhauskapelle,
     aber ich fand sie nirgends. Das war beunruhigend. Vielleicht hatte der liebe Gott sie nach ihrem Wutausbruch auf direktem
     Weg in die Hölle geschickt? Immerhin hatte ich mir das eben noch gewünscht. Hoffentlich hatte ich ihn da nicht auf eine dumme
     Idee gebracht.
    |174| Unabhängig von Marlenes Verschwinden blieb das Problem mit den Weibern, die sich im Kloster auf den schmalen Pritschen räkelten
     und überlegten, welche Jobchancen sie mit ihrer Ausbildung auf dem Arbeitsmarkt hatten, wenn man von der offensichtlichen
     Karriere einmal absah.
    Wie es aussah, hatten wir bisher in eine ganz falsche Richtung gedacht. Ich machte mich auf den Weg zu Martin, denn ich fand,
     dass wir uns ganz rapido eine neue Strategie einfallen lassen sollten.

|175| neun
    Ich traf Martin zu Hause an. In seinem Wohnzimmer standen Kartons in allen denkbaren Größen, einige waren bereits ausgepackt,
     an anderen fingerte er aufgeregt herum. Ich hatte wieder vergessen, dass ich den Flur meiden wollte, und brachte das Licht
     zum Flackern.
    »Hallo«, dachte Martin. »Du kommst mir gerade recht.«
    Das klang für mich wie eine Drohung, daher hielt ich vorsichtshalber einigen Abstand zu ihm und den Geräten, die er auf einem
     Tablett anordnete und mit ein paar Drähten untereinander verband. Das Einzige, was ich erkennen konnte, war ein digitaler
     Fotoapparat an dem einen Ende des Tabletts. Ein anderes Ding sah aus wie eine Doppelglasscheibe, die in

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