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Im Kühlfach nebenan

Titel: Im Kühlfach nebenan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jutta Profijt
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geschlossenen Klodeckel, verließen das Bad und schlossen die Tür. »Jetzt«, sagte Martin in Gedanken
     zu mir. Ich visierte das Schlüsselloch an und zischte hindurch. Ich bin mir gar nicht sicher, ob ich ihm wirklich den Gefallen
     tun wollte, aber auf jeden Fall war ich neugierig. Ich bewegte mich ganz vorsichtig und konnte nach einigen Sekunden sogar
     schemenhaft die Umrisse der Versuchsanordnung erkennen. Klar, durch das Schlüsselloch fiel ein winziger Rest Licht ins Bad.
     Ich flog vor die Glasscheibe, verharrte einen Moment und ging noch näher heran. |187| In dem Moment, in dem ich die Scheibe berührte, bekam ich einen gewischt.
    »Verdammte Kacke«, fluchte ich. Das war wirklich unangenehm. Mir wirbelten alle Elektronen durcheinander, ähnlich wie damals,
     als ich unabsichtlich in einen eingeschalteten Mikrowellenofen hineingerauscht war. Ich sammelte mich und düste zurück ins
     Wohnzimmer.
    »Was soll der Scheiß?«, brüllte ich Martin an. »Wolltest du mich auflösen?« Martin murmelte etwas von angelegtem Strom, sonst
     funktioniere das Ganze ja nicht, weil man elektromagnetische Wellen schließlich nicht sehen, sondern nur über eine Veränderung
     der Spannung wahrnehmen könne, niemand wisse das ja wohl besser als ich, blablabla.
    »Ich habe jedenfalls die Schnauze voll«, sagte ich. Martin seufzte für Birgit unhörbar und löste die Apparatur im Badezimmer
     auf. »Lass mal sehen«, sagte Birgit, die aufgeregt um ihn herumgehüpft war, während Martin die Drähte löste und die Glasscheibe
     vorsichtig aus der Halterung nahm. Sie drückte auf den kleinen Knöpfen des Fotoapparates herum und fiel dann plötzlich in
     eine Art Schockstarre. »Ist ja total irre«, flüsterte sie. Martins Kopf flog herum. »Was denn?« Birgit hielt ihm wortlos das
     Display vor die Nase. Martin nahm ihr den Apparat aus der Hand, klappte sein Laptop auf, stöpselte einige Kabel hin und her
     und holte das Foto auf den großen Bildschirm.
    Auf einem schwarzen Hintergrund war ungefähr mittig ein Wirbel aus roten und gelben Punkten zu sehen. Wie eine fremde Galaxie
     aus großer Entfernung betrachtet. Wahnsinn.
    Das war ich!
    Wir waren alle sprachlos.
    |188| Okay, ich gebe zu, dass ich im ersten Moment ziemlich geschockt war, aber cooler als mein altes Passfoto war dieser galaktische
     Wirbel auf jeden Fall. Wenn auch nicht so – menschlich. Ich schluckte. Endlich konnte man mich nach Monaten der körperlosen
     Unsichtbarkeit wieder sehen und dann sah ich aus wie ein Sprühstoß aus einer Graffiti-Dose. Die Endgültigkeit der Trennung
     von meinem Körper traf mich wie ein Hammerschlag, schlimmer als auf meiner Beerdigung. Ich suchte Martins Gedanken, aber der
     war ganz auf Birgit konzentriert.
    Sie griff nach Martins Hand, dann drehte sie ihn zu sich herum und umarmte ihn. Ganz fest. »Du bist schon ein ganz besonderer
     Typ«, sagte sie leise. »Das mag ich so an dir.« Martin heulte fast vor Glück. Ich nicht. Nicht vor Glück, meine ich. Aber
     ich riss mich zusammen und überließ Martin seinem Freudentaumel. Ich hätte ehrlichen, heißen Sex diesem klebrigen Rührstück
     vorgezogen, aber meine Wünsche zählten ja hier nichts. Der Geist hatte seine Schuldigkeit getan, der Geist durfte jetzt abdüsen.
     Ich verließ die weich gespülten Kuscheltiere und zog mir im Kino ein paar Actionkracher rein.

|189| zehn
    Samstagvormittag klingelte Birgit an der Klosterpforte. Sie hatte eine größere Umhängetasche mit Handy, etwas Geld, ein paar
     Klamotten und einer Notausstattung an Hygienekram bei sich, um die Glaubwürdigkeit ihrer Fluchtgeschichte zu unterstützen.
     Sie sah furchtbar aus. Erstens hatte sie sich von einer Bekannten ein total nuttiges Outfit geliehen, das diese Mitte der
     Neunziger auf einer Betriebskarnevalsfeier getragen hatte und aus sentimentalen Gründen immer noch aufbewahrte, obwohl sie
     schon lange nicht mehr hineinpasste. Es bestand aus einer knallengen rosafarbenen Jeans mit riesigen Löchern in den Hosenbeinen,
     einem ebenfalls rosafarbenen Glitzertop und einem schwarzen Kunstlederjäckchen. Zweitens hatte sie sich extrem stark geschminkt
     und dann drei Zwiebeln aufgeschnitten, damit ihre Augen tränten, die Schminke verlief und sie aussah wie eine Eisbombe – drei
     Tage nachdem der Strom im Gefrierfach ausgefallen war.
    Nach endloser Diskussion war es Birgit und mir gelungen, Martin davon zu überzeugen, dass es am besten war, wenn er zu Hause
     blieb. Hätte er vor dem Kloster

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