Im Labyrinth der Abwehr
politische Rückendeckung, auch um ihre jetzige materielle Sicherheit war die Baronin besorgt.
Und dabei leistete ihr der Reichsberater Doktor Joachim von Kluge eine große, wenn auch nicht ganz uneigennützige Hilfe.
Bereits im reifen Alter hatte Graf von Kluge eine berühmte Pilotin geheiratet, wobei er sich weniger von ihrem Ruf als „Flieger-Walküre des Reiches" als von ihrer kurvenreichen Figur hatte reizen lassen. Dieses Mädchen zimmerte, nachdem es seine Frau geworden war, mit Hilfe ihrer nazistischen Verehrer eine Anklage wegen Sittenlosigkeit zusammen und schaffte es, ihrem Mann einen Teil seines Vermögens zu entziehen. Doch da sie ein gewisses Mitleid mit ihrem ehemaligen Ehemann spürte, verschaffte sie ihm mit Hilfe derselben nazistischen Freunde einen Parteiposten, der zwar nicht besonders gut bezahlt wurde, doch dafür die Möglichkeit einer Bereicherung auf sehr originelle Weise bot. Und der Verstand des Beraters reichte aus, um diese Möglichkeit zu nutzen, zumal dafür nicht allzuviel Geist erforderlich war.
Der Berater schilderte der Baronin das Wesen seiner „Arbeit" mit folgenden Worten:
„Unsere Aufgabe besteht darin, die Bevölkerung der besetzten Gebiete so mit Lebensmitteln zu versorgen, daß sie den Sinn für die realen Gegebenheiten nicht verliert. Die Menschheit regiert man durch den Magen, meine Liebe. Die mangelnden Lebensmittel richtig organisieren ist mehr als eine gewonnene Schlacht. Ganze Polizeiheere können einen Widerstand nicht so erfolgreich unterdrücken, wie es der Hunger kann.
Die Siegerarmee ist mittels begrenzter Methoden in der Lage, nur die nationalen Schätze der besiegten Regierungen zu rauben. Trotzdem bleiben in den Händen der Bevölkerung riesige Werte, zu denen der Zugang mit militärischen Mitteln nicht möglich ist.
Um die beschränkten Lebensmittelvorräte richtig zu verteilen, gibt es ein Kartensystem. Es wird geleitet von einer Behörde, die sich aus Angestellten des besetzten Landes zusammensetzt. Da aber der Druck der Lebensmittelkarten in unserer Hand liegt, haben wir die Möglichkeit, eine beträchtliche Menge der für die Versorgung der Bevölkerung bestimmten Lebensmittel selbst zu beziehen und sie der Bevölkerung durch den sogenannten schwarzen Markt wieder zukommen zu lassen. Auf diese Weise ziehen wir die von der Bevölkerung versteckten Werte ein, ohne Gewaltanwendung, auf der Basis völliger Freiwilligkeit."
So half der Berater der Baronin für bestimmte Prozente auf dem schwarzen Markt alles abzusetzen, was auf dem Gut erzeugt wurde; er erreichte für sie gleichzeitig eine Senkung der Pflichtabgaben für die Wehrmacht. Weiterhin half er ihr, verschiedene Kunstgegenstände zu kaufen, die sie scherzhaft als „Mitgift" bezeichnete.
Die Baronin machte Weiß mit ihrem mutmaßlichen Bräutigam bekannt.
Als sie die beiden Männer allein ließ, versuchte der Berater vorsichtig herauszubekommen, in welchem Verhältnis Johann zu dem ihm anvertrauten Mädchen stand, zu dieser Russin, der die Baronin soviel Aufmerksamkeit schenkte.
Weiß bemerkte kurz, daß er eine besondere Aufgabe erfülle, deren Erfolg in gewissem Maße von der Baronin abhänge.
Der Berater, der die kühle Zurückhaltung in den Worten Johanns spürte, brachte das Gespräch bald auf ein anderes Thema.
„Ein Land erobern ist nur der Anfang der Unterwerfung. Für das zweite, entscheidende Stadium braucht man nicht Tapferkeit, sondern Verstand. So haben wir die französischen, belgischen, holländischen, tschechischen Fabriken nicht nur in Lieferwerke für die Wehrmacht verwandelt, wir haben sie dahingehend rekonstruiert, daß jetzt jedes Werk nur ein bestimmtes Teilstück herstellt, das dann zur Montage nach Deutschland geschickt wird. Wenn diese Werke von Deutschland abgeschnitten werden, sind sie ökonomisch ruiniert.
Diese Streuung ökonomischer Komplexe ist dasselbe, als nähme man den Mechanismus meiner ausgezeichneten Schweizer Uhr auseinander, verpacke die Teilchen in einzelne Schachteln und schenke sie seinen Bekannten, um sie dann zu fragen, wie spät es ist.
Ich habe zu diesem Beispiel gegriffen, damit Sie das Wesen unserer Anstrengungen begreifen. Ich versichere Ihnen, all das hält die Wirtschaft Europas mehr unter Kontrolle als die Anwesenheit unserer Besatzungstruppen."
Weiß sagte vorsichtig:
„Herr Graf, mir scheint, daß in Ihren Worten trotz all Ihrer Weitsichtigkeit eine gewisse Unsicherheit liegt."
„Ach, Sie meinen, daß wir, die ältere
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