Im Labyrinth der Abwehr
Generation, die für uns traurige Erfahrung des ersten Weltkrieges übersehen würden? Sie irren, mein Bester. Ihr jungen Leute seid zu überheblich und habt zuwenig Sinn für die Lehren der Geschichte. Für euch sind zum Beispiel die KZs nur ein Vernichtungsinstrument minderwertiger Rassen und Millionen Fremdarbeiter nur Sklaven für die Rüstungsindustrie. Für uns, die Älteren, sind sie mehr.”
„Und was?" fragte Weiß.
„Für uns Politiker ist das eine sichere Menschenreserve, die wir jederzeit in Umlauf bringen können."
„Aber wie?"
„Unter vernünftigen Bedingungen halten vernünftige Deutsche Unvernünftige davon ab, Geiseln zu vernichten. Weiter gar nichts."
„Aber wieso, wenn ich fragen darf, beschäftigt Sie dieses Problem persönlich?"
Deshalb, weil ich das Vertrauen einiger hoher Persönlichkeiten im Reich besitze und mich im Generalgouvernement im Auftrage von Leuten aufhalte, die daran interessiert sind, welche der KZ-Häftlinge einen bestimmten materiellen Wert darstellen. Und ich bin der Ansicht, daß Sie als Mitarbeiter der Abwehr mir in dieser Hinsicht einen Gefallen tun können. Hauptmann von Dietrich, an den ich mich gewandt habe, hat Sie mir von der besten Seite empfohlen. Sie sind ja inzwischen wohl nicht ohne Grund befördert worden."
Weiß verbeugte sich und erklärte, dem Berater mit allem, was in seinen Kräften stehe, zu helfen.
„Ich hatte ziemliche Schwierigkeiten mit der Lagerverwaltung. Ich mußte mich als Vertreter des Roten Kreuzes ausgeben, um einige Häftlinge für mich günstig zu stimmen, sie zur Offenheit zu bewegen. Denjenigen, die einen besonderen Wert darstellten, versuchte ich Zusatzrationen zu sichern. Aber die Gestapoleute befolgten unsere Grundsätze allzu streng und erschossen das mir anvertraute Kontingent. Für Sie, als junge Leute, waren die Pogrome und Judenvernichtungen in Deutschland nur der natürliche Ausdruck der Rasseninstinkte. Wir, als ökonomisch denkende Menschen, gehen an diese Tatsache nicht mit Gefühl, sondern mit Verstand heran. Das Reich hat Milliarden Goldmark an nichtarischem Eigentum erhalten, was den von den USA und Großbritannien gewährten Anleihen vorzuziehen ist. Das, mein Bester, nenne ich gesunden Menschenverstand!" Er fuhr in seinen Gedanken fort: „Was ich im Auge habe, sind Häftlinge, deren Verwandten es nicht nur gelungen ist, nach dem Westen zu emigrieren, sondern die auch noch erhebliche Mittel mitgenommen haben oder bereits über bedeutende Konten bei ausländischen Banken verfügen. Meine Idee, die ich auch dem Reichsführer Himmler mitgeteilt habe, besteht darin, sich über das Rassenvorurteil hinwegzusetzen und ihnen vorzuschlagen, sich um ihre unglücklichen Verwandten zu kümmern und eine entsprechende Summe auf das Konto unserer Vertragspartner zu überweisen."
Er blickte Weiß forschend an und erinnerte:
„Hauptmann Dietrich hat Sie mir empfohlen. Sie scheinen mir mit allen Feinheiten und Schlichen des Lagersystems vertraut zu sein. Deshalb schlage ich Ihnen — natürlich nicht unentgeltlich — vor, daß Sie über Ihre Dienststelle die Personen herausfinden, die materiell gesicherte Verwandte im Ausland haben."
„Ich schlage vor", sagte Weiß, „daß Sie meinem Vorgesetzten davon Mitteilung machen, und wenn der entsprechende Befehl kommt, wird unsere Dienststelle einen solchen Befehl bedingungslos ausführen."
Das Gesicht des Beraters verfinsterte sich.
„Verstehen Sie doch", sagte er gereizt, „das ist mein ganz persönlicher Einfall. Ich teile ihn mit einigen hochgestellten Persönlichkeiten im Reich. Doch wenn das beabsichtigte Unternehmen in irgendeiner Form vorbereitet wird, selbst in der Form eines Geheimbefehls, so werden sich auch andere dafür interessieren, und dann wird die Summe, wie groß sie auch sein mag, sich entsprechend der Zahl der interessierten Personen verringern !"
„Folglich trägt dieses 'Unternehmen' einen rein geschäftlichen Charakter?"
Der Berater nickte. „Übrigens auch einen humanen: Wir geben Kinder ihren Eltern wieder und Eltern ihren Kindern. Ja, und vergessen Sie nicht die Kinderlager zu überprüfen. Und beachten Sie folgendes: Wir verfügen über eine gewisse Anzahl Fotos von Kindern, die ihre Eltern suchen, vermögende Eltern. Der Aufenthalt in den Lagern, wie ich die Sache sehe, hinterläßt im Äußeren seiner kleinen Bewohner gewisse Spuren, gewisse Ähnlichkeiten mit den Kinderfotografien gehen verloren. Beachten Sie diesen Umstand. Außerdem sind
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