Im Labyrinth der Abwehr
waren.
„Guten Tag!" sagte Nagel und gab ihm die Hand.
„Nun?" fragte Weiß. „Ist der Auftrag erfüllt?"
„Stück für Stück!"
Nagel berichtete mit knappen Worten:
„Es war nötig, daß ich als erster absprang. Als ich an die Luke trat, warf ich eine Handgranate ins Heckteil und sprang ab. Der Luftdruck bei der Explosion des Flugzeugs zerknüllte mir den Fallschirm. Ich fiel wie ein Stein. Ich dachte, jetzt ist es aus. Aber es ging noch mal gut. Kurz vor der Erde öffnete sich der Schirm — ich landete wie auf einem Sprungfederbett, genau an der festgelegten Stelle. Na, und dann nahmen mich unsere Tschekisten, die du meinetwegen benachrichtigt hattest, in Empfang. Wir fuhren erst in die Kantine, dann, als sie merkten, daß ich mir den Fuß verstaucht hatte, zur Sanitätsstelle. Ich war so durcheinander, daß ich es nicht einmal gemerkt hatte. Dann gaben sie mir genaue Anweisungen. Ich begann zur ausgemachten Zeit zu funken und sendete, was sie mir sagten. Und dann wurde extra für mich ein Diversionsakt organisiert: Auf einem Reservegleis sprengten sie einen Güterwagen in die Luft.
All das meldete ich dem Stab „Vally" als meine persönliche Heldentat. Und es wirkte auch.
Zum Schluß funkte ich: 'Truppe unter Feindfeuer!’ Ich erhielt den Befehl, mich durchzuschlagen. Na, da habe ich eben die feindlichen Linien durchbrochen. Und nun bin ich wieder da."
„Warum hast du nicht über den toten Briefkasten über das Vorgefallene Meldung gemacht?"
„Keine Zeit. In Frontnähe hat mich eine Abwehrgruppe festgenommen, bis meine Person vom Stab überprüft wurde. Als die Bestätigung kam, wurde ich sofort zur Sanitätseinheit gebracht. Als ich mich durch die feindlichen Linien schlug, geriet ich unter Beschuß und verletzte mir das Bein. Aus der Sani-Einheit hat man mich direkt hierhergebracht. Ich hinke noch immer ein bißchen. Als Hauptmann Dietrich das hörte, war er sehr teilnahmsvoll. Er sagte, ich solle mich an einen Chirurgen wenden. Aber ich habe so meine Bedenken. Wozu haben sie zwei Einbeinige in die Schule auf genommen? Warum bearbeiten sie mich, ich soll meine Gesundheit nicht vernachlässigen, mein Bein auskurieren lassen?"
Weiß erzählte, daß Dietrich einen Beinversehrten brauchte, um einen Diversionsakt zu organisieren.
Nagel überlegte einen Augenblick, dann sagte er:
„Es heißt ja, daß die Deutschen Meister im Operieren sind. Und wenn es unter Narkose ist, was macht's, leiden wir für die gute Sache, wenn er nun mal einen Beinversehrten haben will."
„Wo denkst du hin?"
„Ach, ich überlege nur." Er rieb sich mit der Handfläche das Knie. „Die Verletzung schmerzt, das rechte Bein fühlt sich ganz taub an.
„Das kommt nicht in Frage!"
„Aber Genosse Baryschew hat zu mir gesagt: 'Wenn du freiwillig zurück zu den Deutschen willst, bitte. So etwas kann man nicht befehlen.' Also bitte, ohne Ihren Befehl. Auf eigene Initiative." Ironisch fügte er hinzu: „Hauptmann Dietrich wird das sehr lieb sein. Warum soll ich ihn beleidigen, wenn er mich für diesen Gefallen als Gruppenältesten in eine Sondergruppe steckt?"
Johann umarmte Nagel zum Abschied.
„Weißt du, ich bin froh, daß du wieder da bist."
„Aber klar. Immer einer zum anderen, jetzt sind wir schon zwei Sowjets, das heißt: eine Streitmacht."
41
Es lag weißer, sauberer Schnee. Der Himmel war hell und klarblau wie an einem Sommertag. Johann fuhr schnell, weil er sich beeilen mußte, um aufs Gut zu kommen. Die Begegnung mit Nagel hatte ihn tief bewegt. Tichon Lukin war, nachdem er aus der Heimat zurückgekehrt war, ein völlig anderer geworden. Sein Gesichtsausdruck hatte sich verändert, seine breitschultrige Gestalt atmete Ruhe und Selbstsicherheit aus. Er hatte eine Tschekistenpflicht erfüllt — der früher verlorene Mensch war dem Leben wiedergegeben.
Er mußte an Olga denken. Wer war sie? Warum gab sie sich für eine andere aus? Welche Gefahr barg sie?
Johann vermutete zu Recht, daß die Baronin, als sie die russische Gefangene auf Bitten der Abwehr so gastfreundlich empfing, nicht so sehr daran dachte, der deutschen Spionage einen Gefallen zu tun, als vielmehr an ihren eigenen Vorteil. Wer wußte, wie noch alles kommen würde nach der Niederlage bei Moskau?
Aus diesen Erwägungen heraus hatte sie auch zwei alte Polinnen, Abkömmlinge eines alten Adelsgeschlechts, die von ihren nach England emigrierten Verwandten im Stich gelassen worden waren, aufgenommen.
Doch nicht nur um ihre zukünftige
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