Im Labyrinth der Abwehr
an die sie sich nach einer schweren Operation gewöhnt hatte. Sie hatte ein schönes Gesicht mit strengen, feinen Zügen, doch wenn sie nicht über sich oder ihre Bekannten, sondern über irgendein abstraktes Thema sprach, so erzählte sie solchen Unsinn, daß ihr dummes Gesicht Subow abschreckte. Er fühlte sich durch sie bedrückt, beklagte sich bei Elsa. Doch diese befahl ihm, widerwillig lächelnd, die Verbindung zu Brigitte nicht aufzugeben, da er durch sie in SS-Kreisen verkehren konnte.'
Subow gehorchte seufzend; betroffen stellte er fest, daß Elsa sich mit jedem Tag zu ihm kühler und sachlicher verhielt, und daß ihre Augen, wenn sie ihn anschaute, keinen warmen, freudigen Glanz mehr bekamen, sondern kalt blieben.
Die Information des Zentrums über Olga verwirrte Johann. Die Vermutung, daß die Gestapo das Mädchen auf der Folter erpreßt hatte, fiel jetzt genauso weg wie die Version einer Rache gegen ihren Vater. Entweder war Olga eine Abenteuerin, die es verstand, sich so teuer wie möglich zu verkaufen, oder sie hatte die Aufgabe, ihn auf die Probe zu stellen.
Johann beschloß, zusammen mit Olga der Baronin auf ihrem Gut einen Besuch abzustatten. Wenn das Mädchen eine Abenteuerin war, so würde die Bekanntschaft mit der Baronin ihr schmeicheln, und Johann würde ihre Rolle durchschauen.
Als sie auf dem Gut ankamen, bat Johann Olga, im Wagen zu warten, und ging allein ins Haus.
Die Baronin begrüßte ihn liebenswürdig, offensichtlich beeindruckt von seiner Uniform. Johann lächelte verlegen und sagte, daß er nicht allein gekommen sei, sondern zusammen mit einer Kriegsgefangenen, der Tochter eines russischen Obersten. Er bitte die Baronin ergebenst, sie zu empfangen. Das Mädchen würde sich später einmal dem Reich sehr nützlich erweisen können ...
„Natürlich", sagte die Baronin giftig, „jetzt, wo die Russen uns bei Moskau einen Fußtritt versetzt haben, sorgen Sie schon vor, indem Sie der Tochter eines russischen Obersten den Hof machen."
Weiß hob die Hände und gab ihr mit dieser Geste zu verstehen, daß er nur den Befehl eines Vorgesetzten ausführe.
„Rufen Sie sie herein", befahl die Baronin ärgerlich. Beim Anblick Olgas jedoch gab sie ihre feindselige Haltung auf. Durch ihre abweisende Miene und ihr mürrisches Wesen, die die Baronin für einen Ausdruck ihres Stolzes hielt, machte diese höhergestellte Gefangene einen angenehmen Eindruck auf sie.
Sie war bereit, die Rolle einer freundlichen Gastgeberin zu spielen, und sich zu Weiß umblickend, sagte sie: „Sie haben sicher noch etwas in der Stadt zu erledigen? Betrachten Sie sich für einige Zeit als frei."
Johann beschloß, in der ihm zur Verfügung stehenden Zeit den Stab „Vally" aufzusuchen. Unterwegs fuhr er am Lager erbeuteter Wochenschauen vorbei und erfuhr, daß Major Steinglitz in seiner Abwesenheit einige Kassetten mit Wochenschauen ausgeliehen hatte, die man zu verschiedenen Zeiten im Tscheljabinsker Traktorenwerk gedreht hatte, einem Werk, das jetzt Panzer produzierte. Ihm wurde klar, gegen welches Objekt die neue Geheimgruppe angesetzt war.
Als Weiß Rittmeister Gerd meldete, daß er den Stab nur auf gesucht habe, um seine für die Reise mit der Agentin notwendigen Sachen zu holen, erfuhr er, daß Nagel seine Aufgabe erfolgreich ausgeführt habe und wohlbehalten zurückgekehrt sei. Man bereite ihn jetzt für eine neue, noch wichtigere Aufgabe vor.
Weiß bemerkte aufs Geratewohl, daß man für solch ein Unternehmen besser Leute nehmen sollte, die sich in der Traktorenproduktion auskannten. Eisenbahnzüge, Brücken sprengen sei eine Sache, ein so gewaltiges Maschinenwerk eine andere.
Gerd unterbrach ihn heftig:
„Machen Sie sich keine Sorgen, wir werden es ihnen schon beibringen."
Während der zwei Stunden, die ihm zur Verfügung standen, würde er kaum noch mehr erfahren können. Dennoch war es für ihn notwendig, mit Nagel zusammenzutreffen.
Er rechnete damit, daß sich jetzt zur Mittagszeit in der Kleiderkammer niemand aufhalten würde. Deshalb schien es ihm die beste Lösung, Nagel dorthin zu bestellen. Er ging in die leere Schreibstube und schrieb auf der Schreibmaschine: Lehrgangsteilnehmer Nagel sofort in der Kleiderkammer melden.
Dann ging er in den Speiseraum und legte den Zettel mit der Aufforderung neben Nagels Besteck, nahm den Schlüssel vom Wandbrett und begab sich in die Kleiderkammer.
Unmittelbar nach ihm kam Nagel. Johann rief ihn in einen engen Gang, in dem Uniformen gestapelt
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