Im Labyrinth der Abwehr
trugen. Ich habe den Auftrag erhalten, mich ernsthaft mit Ihnen zu beschäftigen. Jetzt gehen Sie zur Kasse, zahlen einen entsprechenden Betrag, dann wird man Sie behandeln, und hinterher höre ich Sie an."
Nachdem Johann sich verschiedenen Prozeduren unterzogen hatte, kehrte er angenehm ermattet in das Sprechzimmer Stutthoffs zurück, machte dort Meldung und hörte sich die Anweisungen an. Der Professor sagte zum Abschied:
„Hören Sie, in Deutschland haben sich unter den Besitzenden Gruppen gebildet, die Verbindung mit entsprechenden Leuten in den USA und England aufgenommen haben. Ihr Ziel ist der Abschluß eines Separatfriedens. Dafür verpflichtet sich Deutschland, das Aushängeschild Hitler zu wechseln und seine kriegspolitischen Ziele im Osten weiter zu verfolgen, doch bereits mit Unterstützung der Armeen der Alliierten oder zumindest mit deren wirtschaftlicher Hilfe. Als Entschädigung dafür macht Deutschland dem Westen eine Reihe von Zugeständnissen. Jede Gruppe hat ihre eigenen Vorstellungen, aber im Wesentlichen sind sie sich einig. Im Grunde ist es nichts anderes als eine Verschwörung gegen die Völker der Anti-Hitler-Koalition. Unsere Pflicht ist es, unwiderlegbare Beweise für die verräterische Tätigkeit derjenigen vorzulegen, die entgegen ihrer Verbündetenpflicht und entgegen dem Willen ihrer Völker in geheime Verhandlungen mit unserem gemeinsamen Gegner getreten sind. Diese Dokumente werden von der sowjetischen Regierung den Regierungen unserer Verbündeten vorgelegt werden."
„Sollte man nicht vielleicht Hitler eine Kopie davon zeigen?"
„Hitler versucht selbst, diplomatische Geheimverhandlungen mit den Alliierten zu führen. Mit diesen Angelegenheiten beschäftigen sich andere Genossen von uns." Der Professor fuhr träumerisch fort: „Wenn bei der Siegesparade auf dem Roten Platz unsere Genossen in ihren deutschenUniformen marschieren würden ... Das wäre eine ganz stattliche Einheit ..." Der Professor schwieg. Plötzlich stand er auf und sagte flüsternd: „Hauptmann Alexander Below! Im Auftrag der Obersten Leitung teile ich Ihnen mit: Für Ihre heldenhafte Arbeit im Hinterland des Feindes werden Sie mit dem Orden des Vaterländischen Krieges erster Klasse ausgezeichnet."
„Ich diene der Sowjetunion!" sagte Weiß und stand in strammer Haltung vor dem Professor.
Der Professor berührte mit der Handfläche seine Brust. „Hier", sagte er mit zitternder Stimme: „Empfange ihn im Herzen und trage ihn!"
Einige Tage später erhielt Weiß den Befehl, vom Flugplatz Tempelhof einen Gast abzuholen und ihn in die Nähe Templins, nach Schönliechen, zu bringen, wo sich ein SS-Lazarett befand. Weiß wußte allerdings, daß dort kein Lazarett, sondern die Stabsunterkunft Himmlers war.
Unterwegs sollte er in Wandlitz Halt machen und seinem Gast einen Imbiß im Restaurant „Am See" vorschlagen.
Der Gast war eine stattliche Erscheinung. Er benahm sich völlig ungeniert und hielt es nicht für nötig, sein angelsächsisches Äußeres zu verbergen. Als er im Wagen saß, bot er Weiß sofort Wisky und amerikanische Zigaretten an.
„Hör zu, Junge, du kannst mich Joe nennen. Fahr mich erst mal in die Stadt. Ich möchte sehen, wo unsere Boys das meiste Kleinholz gemacht haben."
„Ich habe Befehl, eine bestimmte Marschroute zu fahren."
Joe fuhr in die Tasche, holte ein Bündel Dollar hervor und meinte: „Nimm dir ein paar Scheinchen!"
„Nein", sagte Weiß.
„Hör zu, Kleiner, du kannst ganz ruhig sein, ich befasse mich nicht mit Kriegsspionage. Du knipst mich mit deinem Apparat vor einem Ruinenhintergrund — und weiter gar nichts."
„Unterwegs werden wir schon die richtigen Ruinen finden."
„Na also”, stimmte Joe zu. Er lehnte sich im Sitz zurück und fragte: „Na, was hältst du von den Russen?"
„Es sind Ihre Verbündeten, Sie müssen sie besser kennen."
„Hat man dir beigebracht, so zu antworten?" fragte Joe böse.
„Ja", sagte Weiß. „Aber ich werde ganz offen zu Ihnen sein: Die Russen behaupten, daß sie die Ersten an der Elbe sind und euch die Hände reichen."
„Über eure Köpfe hinweg?"
„Über unsere Leichen."
„Wie schätzen die Russen das Fehlen einer zweiten Front ein?" „Sie sagen, daß es schon eine gibt. Sie nennen die Partisanenbewegung in allen Ländern Europas die zweite Front."
„Das ist interessant. Und was folgt daraus?"
„Fragen Sie doch Roosevelt. Übrigens, warten wir auf Ihren Chef in Wandlitz?"
„Wie abgemacht", sagte Joe
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